NEU: Die schwedische Halbinsel der Zugvögel

Falsterbo

Sonntag, 11. August 2019

Von Stubbekøbing nach Gedser

Am letzten Tag der Reise sind wir schnell aus Stubbekøbing aufgebrochen. Bei unserer langen Suche gestern hatten wir schon genug von der Stadt gesehen.
Wir wollten noch über die komplette Insel Falster fahren. Das sind 56 Kilometer. Zunächst einmal kurvten wir durch Hecken, Kleingärten und Schilf bis zur nordöstlichen Spitze der Insel.

An diesem Stein stand das Geburtshaus der Adligen Marie Grubbe, die mit ihrem Gärtner durchgebrannt ist. Mangels weiterer Angaben hoffen wir mal, dass ihre Liebesgeschichte gut ausgegangen ist.

Danach führt der Weg an der Ostküste der Insel schnurgerade nach unten.

In Næs steht Dänemarks älteste Landwirtschaftsschule.

In Hesnæs stehen alte Fischerkaten.

Die Nordhälfte der Insel ist sehr reizvoll. Wir sind lange durch Wälder gesaust, während neben uns das Meer an eine kleine Steilküste klatschte. Ein paar Steigungen gab es zwar noch, aber im Vergleich zu den letzten Tagen war es praktisch flach. In regelmäßigen Abständen passierten wir weiße Schranken, offene und geschlossene.

Bei Sønder Alslev zweigt ein Weg zu einem Schloss ab. Dem Schloss vorgelagert ist das Generalens Lysthus, wo der General seinen Jagdgelüsten nachging.

Dann gibt es keinen Weg mehr am Wasser. Wir mussten im Zickzack durch ein paar Felder und Windparks kreuzen. Laut Google gab es in einem der Dörfer ein Restaurant, doch dem war nicht so.
Der Radfernweg Berlin-Kopenhagen zweigt hier nach Westen zur Inselhauptstadt Nykøbing ab. Wir sind näher an der Ostküste geblieben und haben uns ein paar Kilometer eingespart.

Schließlich erreichten wir ein Gebiet, das auf der Karte dicht besiedelt aussah. Und ich machte den selben Fehler wie gestern in Hovmarken auf Møn: Oh, so viele Häuser am Strand, da ist bestimmt viel los!
Von wegen, wieder alles nur Ferienhäuser. Schade, wir hatten echt Hunger.

Ganz typisch dänisch sind diese Schilder mit einem Ball spielenden Mädchen und der Aufschrift "Pas på mig!" Oft heißt die dazugehörige Straße Ernasvej, Sonjasvej oder so ähnlich, dann erfährt man gleich, wie das Mädchen heißt, welches man nicht überfahren soll. In einem Dorf gingen die Dänen noch einen Schritt weiter: Sie hängten ein Foto eines echten Jungen aus der Straße mit seiner Wasserpistole auf. Darauf stand sein Name mitsamt der Bitte, ihn nicht zu überfahren.

Mithilfe glücklicher und trauriger Emojis wird Autofahrern erklärt, dass sie nicht auf den Fahrradstreifen fahren sollen.

Und dann, als wir schon die Hoffnung aufgaben, bekamen wir doch noch, was wir gesucht hatten: Ein lebendiges Strandbad. So richtig mit Menschen. Und Essen natürlich.

Das war das einzige Mal auf dieser Ostseetour, dass wir einen wirklich vollen Strand mit Rettungsschwimmer gesehen haben. Man merkt, dass wir uns Deutschland nähern! In Mecklenburg haben wir so etwas fast überall, aber auf Falster ist solch ein breiter Strand eine Besonderheit, und deswegen zieht Marielyst badelustige Dänen aus allen umliegenden Inseln an.

Zum Strand führt ein Holzweg, neben dem Spielplatz-Elemente stehen. Also, schön gestaltet ist Marielyst auf jeden Fall. Man bewegt sich wirklich fast ausschließlich auf Brettern fort, das ist schon ein eigenartiges Gefühl.

Nicht weit vom Strand befindet sich der Bereich, in dem sich die gesamte Auswahl an Restaurants auf engstem Raum zwischen Sand und Bretter drängelt. Selbst in den teuersten Restaurants ist es hier üblich, dass man an der Bar Schlange steht und dort bestellt. Das Essen wird dann an den Tisch gebracht. Geschmeckt hat es. Wie teuer das Essen war? Äh... mal sehen... die dänische Krone ist eine furchtbar unpraktische Währung, die sich für's schnelle Kopfrechnen überhaupt nicht eignet. Etwa 7,5 Kronen sind ein Euro.
Das hölzerne Dreieck (hinten links) ist ein Aussichtsturm, von dem wir uns diese Oase noch einmal von oben anschauten.

Die Fahrradstreifen sind angenehm breit und befinden sich hinter den parkenden Autos.

Die Insel Faster wird nun viel schmaler. Zuerst mussten wir eine Weile nach Westen fahren, dann sind wir der Straße nach Süden gefolgt. Leider ist die südliche Hälfte der Insel viel trister und weniger abwechslungsreich als die schönen Wälder im Norden - zumal wir jetzt auch nicht mehr am Meer fahren, sondern in der Inselmitte.

Später begleitete uns ein Bahngleis über Nebenstraßen. Einst fuhren hier Züge von Kopenhagen bis Bologna und Genf, später bloß nach Warnemünde und Gedser, heute sind hier allenfalls Güterzüge unterwegs. Die Dorfbewohner müssen sich mit Bussen begnügen, von denen immerhin recht viele an uns vorbeibrausten.
Eine Parallelklasse aus meiner Schule war hier mal auf Wandertag. Für einen Tag in ein fremdes Land, das klingt ziemlich aufregend, doch tatsächlich verbrachten sie den Großteil ihrer Zeit damit, in diesem Bus in die einzige ernstzunehmende Stadt (Nykøbing) der Insel zu fahren. Einige Schüler drückten auf den Haltewunschknopf, stiegen aber nicht aus. Irgendwann war der Busfahrer völlig fuchsteufelswild. Als wieder jemand drückte, brüllte er zornig nach hinten - und erschreckte eine Oma, die in ihrem Dorf aussteigen wollte, zu Tode.

Schließlich kehrt der Radweg zur großen Straße zurück und wir erreichen Gedser. Die Hauptstraße führt schnurgerade zum Fährhafen und große blaue Schilder weisen sinngemäß auf Folgendes hin: Ey, da vorne geht's nur noch zur Fähre, also wenn du da nicht bezahlen willst, dann fahr mal schleunigst runter hier! Allerdings gibt's hier sonst auch nicht viel, also weiß ich nicht, wieso du dann überhaupt hier hergefahren bist.

Fünf Türme bilden die Skyline von Gedser (wobei ich diesen Begriff nur ironisch verwenden kann). Turm Nr. 1 ist ein gelber Wasserturm, dessen Aussichtsplattform geschlossen war.
So ganz haben die Dänen hier immer noch nicht verstanden, welches Potential sie haben. Sie liegen genau gegenüber von Rostock. Innerhalb von zwei Stunden können Fußgänger für ein paar Euro in ein fremdes Land reisen und hier Geld lassen - doch warum sollten sie? Die Dänen haben auf der anderen Seite gleich eine Großstadt mit vielen Highlights, doch die Deutschen haben hier... naja, Gedser.

Und wenn die Deutschen doch hinüberfahren, dann setzen sie die Reise meistens gleich mit dem Auto nach Kopenhagen fort.
Oder, och, warum nicht gleich zum Nordkap? Das sind ja nur noch 3204 Kilometer.

Eine ultrapatriotische Straße mit vielen dänischen Fahnen führt an der grauen Kirche mit Turm Nr. 2 vorbei.

Doch so ganz, ganz langsam scheint in Gedser ein Umdenken eingesetzt zu haben. Vor einigen Jahren soll es hier gar nichts, kein einziges Café gegeben haben. Mittlerweile gibt es eins, es war nur geschlossen. Die einzige Bar schloss auch gerade, und die Museen waren schon seit 16 Uhr zu.

Nachtrag 2021: Es sollte noch zwei Jahre dauern, aber bei unserem nächsten Besuch war Gedser bereit und es gelang uns tatsächlich, irgendwo reinzugehen, und zwar ins Eisenbahnmuseum Gedser Remise. Das liegt im alten Bahnhof und richtet sich an genau drei Arten von Menschen: Olsenbandenfans, eisenbahnbegeisterte Kinder und Eisenbahnnerds (also die Art von Erwachsenen, die sofort erkennen, welcher Zugtyp das ist, wenn wir ihnen die nachfolgenden Urlaubsbilder zeigen). Wir lösten bei einem uralten Verkäufer, der zu 100 Prozent so aussah wie ein verhutzelter Nachtwächter bei der Olsenbande, zwei uralt aussehende Zugfahrkarten und betraten den düsteren Lokschuppen.
Im Prinzip besteht das Museum aus irgendwelchem Eisenbahnkrempel, der wahllos und willkürlich (oder, wie es meine Freundin zeitgemäßer formuliert hat, voll random) zusammengeworfen wurde. Das Ergebnis ist total oll und heruntergekommen, aber trotzdem irgendwie super. Die staubigen Eisenbahnmützen in ihren Schränken begeistern natürlich echt niemanden, aber bei einer Halle voller großer staubiger Züge sieht das schon anders aus.

Vor allem, wenn man auch noch reinklettern darf!
Einige Züge haben Holztreppen, bei anderen mussten wir wie die Lokführer über kleine Leiterchen hinaufklettern, was zu einigen akrobatischen Kunststücken und Verrenkungen führte. Dann konnten wir alles anschauen und anfassen. Ein Wagen kann auch für Festessen gemietet werden, aber mir fallen nur wenige Orte ein, die ungemütlicher sind als dieser dunkle Wagen in einer fast ebenso dunklen Halle.

Zum Schuppen gehört auch Turm Nr. 3, ein Wasserturm mit dickem grauem Bottich. Darin wurde das Wasser für die Dampfloks mit Kalk vermischt.
Hinter einer Eisenbandrehscheibe steht der Grund, warum dieses Museum für Olsenbandenfans noch anziehender ist als für Eisenbannerds und warum im ersten Raum ein Film auf Dänisch in Dauerschleife läuft. Nein, der Grund ist nicht der alte Nachwächter-Kassierer - es ist der Turm Nr. 4, der Gule Palæ (Gelber Palast). Der angebliche Palast diente vor langer Zeit bei Kopenhagen als Stellwerk, aber als er in Rente ging, wurde er immer verfallener und vollgesprühter.
Eigentlich sollte er abgerissen werden. Deutsche und dänische Olsenbandenfans sammelten Spenden, um das Gebäude zu retten. 2016 ließen sie es restaurieren und nach Gedser transportieren, wo es nun als Symbol der deutsch-dänischen Fandom-Freundschaft neben dem Fährhafen steht. Als nächstes soll das dazugehörige Seitengebäude folgen.

Warum haben die Fans so einen Aufwand für dieses Türmchen betrieben? Weil hier im 7. Teil der Olsenbande zwei schrullige Bahnmitarbeiter namens Herr Godfredsen und Herr Brodersen Tee trinken, Kuchen essen und nebenbei auch noch die Züge überwachen. Die Innenaufnahmen entstanden zwar alle im Filmstudio, aber offenbar hat sich das Museum großzügig bei diesem Filmstudio bedient, denn jetzt ist der gesamte Raum nachgebildet, wie er im Film war. Nur die großen Schalttafeln (bei Veröffentlichung des Films quasi Hightech, heute total altmodisch) blinken nicht, denn es sind nur Bilder - bis auf eine, die aus irgendeinem Grund auf dem Boden steht. Die hätten sie ruhig noch auf einen Tisch schrauben können. Ansonsten ist die Kulisse perfekt.
Aufgrund der besonderen Nähe und Olsenbandenbegeisterung meiner Familie erhält dieses Museum das Prädikat

🌟Ort, den ich meiner Familie mal als Tagesausflug empfehlen würde

Westlich von Gedser schlängelt sich eine Straße vorbei an Turm Nr. 5, einem weißen Leuchtturm in weißen Baugerüsten. Die steinige Küste sieht anfangs ziemlich öde aus, aber das ändert sich bald - vorausgesetzt, man ist bereit, ein paar Extrakilometer zu radeln. Nach vier Kilometern wird die Küste Odde statt öde - Gedser Odde nennt sich die Landschaft.
(Odde bedeutet Landspitze, während Klint mehr so eine richtig krasse Steilküste bzw. Klippe bezeichnet. Glaube ich. Obwohl wir in Dänemark auch Oddes gesehen haben, die cooler waren als manche Klints.)

Die Straße endet an einem seltsamen Haus, das ausschließlich aus Schwalbennestern und Glasscheiben besteht. Darin befindet sich eine Kunstausstellung, aber den Eintritt dafür zu zahlen, ist ökonomisch nicht sinnvoll - durch die Fenster ist jedes einzelne Bild zu sehen.
Im Innenhof liegt ein Stein. Und zwar nicht irgendein Stein, sondern der Sydstenen (Südstein). Er markiert Dänemarks südlichsten Punkt. Was streng genommen nicht stimmt.

Um den richtigen südlichsten Punkt zu finden, sind wir noch ein paar Meter weiter gelaufen und dann ein paar Meter nach unten gestiegen. Hier ragen rund drei Meter beigefarbener Sand als Steilküste in die Höhe. Der Sandstrand enthält die Überreste einiger Bunker und ca. 845 Millionen Feuerquallen, die zur Verteidigung Dänemarks vor schwimmenden Feinden weitaus effizienter sein dürften als die Bunker.

Die Gedser Odde ist zum Baden also weniger geeignet, für Strandspaziergänge dagegen ist sie super - wir haben es getestet. Dabei haben wir Stellen entdeckt, an denen die Steilküste an einen uralten Käse erinnert. Die Seevögel haben sich Löcher reingebohrt und flattern ständig rein und raus, was alles in allem sehr viel schöner anzusehen war als die Feuerquallen.

So sehen Backsteine aus, die zu lange im Meer gelegen haben. Mit denen kann man immer noch bauen, doch das sieht dann ein bisschen wacklig aus.

Deutsche Ingenieure hatten mal die Idee, von Gedser aus eine Brücke wahlweise nach Ahrenshoop, Graal-Müritz oder Warnemünde zu bauen. Aber Dänemark wollte halt lieber den Tunnel nach Fehmarn, und weil die Dänen den größten Teil bezahlen, durften sie entscheiden.
Am Hafen von Gedser fährt nur eine einzige Fähre, nämlich die nach Rostock. Das Hafengebäude ist unheimlich still. Außer uns befand sich dort keine Menschenseele. Gerade war die 17-Uhr-Fähre abgefahren, sodass wir zwei Stunden auf die nächste warten mussten. Die Fahrradkarten lassen sich nicht im Internet buchen, wir holten sie uns an einem Automaten.

Neuerdings fährt hier übrigens eine Hybridfähre mit einem Windrad, das absolut gar nicht wie ein Windrad aussieht. Trotz der vielen informativen Grafiken auf den Displays an Bord habe ich bisher nicht kapiert, wie genau da der Wind durchpustet. Aber gut, die werden ja wohl nicht so dreist sein und einen Schornstein mit einem grünen Strich drauf als Windrad verkaufen. Hoffe ich mal.
Fußgänger haben es hier bequemer als auf der Fahrt nach Schweden. Sie müssen nicht mit einem Shuttlebus vom Autodeck gefahren werden, sondern können die Fähre über einen Glastunnel selbstständig betreten und verlassen. Wie bei einem Flugzeug dockt er an die Wand der Fähre an.

Fahrräder hingegen werden von den Fahrbahnmarkierungen zu einer unauffälligen Tür im Zaun geleitet. Dort sollen sie dann den Anweisungen der Mitarbeiter gehorchen, die gleichzeitig auch noch die LKWs navigieren. Falls ein Radfahrer (also nicht ich, ähm) versehentlich glaubt, die Anweisungen an einen LKW-Fahrer seien an ihn gerichtet, und schlagartig die Spur wechselt, wird das Boarding zum besonderen Nervenkitzel.

Zwei Stunden später legten wir in Rostock an. Damit wäre die Rostocker-Fähren-Tour abgeschlossen. Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft weitere Teile des Ostseeradwegs fahren werden und dass die nächsten dänischen Inseln wieder ein bisschen lebendiger sind.

Die restlichen Etappen des Radfernwegs Berlin-Kopenhagen gibt's hier.

Samstag, 10. August 2019

Von Liselund nach Stubbekøbing

Eigentlich führen Ostseeradweg und Radfernweg Berlin-Kopenhagen auch noch rauf zum Geocenter auf den höchsten Kreidefelsen. Das geht natürlich nicht ohne schwere Steigungen, die schwersten auf der ganzen Strecke.
Wir sind da ja schon gestern hingewandert. Deshalb haben wir uns das Stück abgekürzt und auf die Hauptstraße in der Inselmitte gefahren. Irgendwann wollten wir dann aber doch zum Meer und bogen ab auf eine kleinere Straße, wo auch der Radfernweg wieder verlief. Dort ist die Südküste zumindest schon mal zu sehen.

Doch damit nicht genug: Im Süden Møns führt der Weg teilweise direkt am Meer entlang. Dafür mussten einen abenteuerlichen Pfad nehmen.

Im Kalten Krieg fischten die Fischer von Møns Südküste regelmäßig DDR-Flüchtlinge aus der Ostsee. Manche lebten noch, andere nicht. Manchmal versteckten sie auch DDR-Matrosen auf Landgang in den Hinterzimmern der Dänen, während ihre überaus schlecht gelaunten Chefs das Dorf nach ihnen absuchten. Dänische Fischer hatten also ihre ganz eigenen Gründe, froh über den Mauerfall zu sein.
Eine Grenze auf dem Meer ist keine Linie, sondern eher ein sehr breites Band der Gesetzlosigkeit. Auch in dänischen oder internationalen Gewässern konnten die Flüchtlinge nie wissen, ob sie der Freiheit, dem Gefängnis oder dem Tode geweiht waren - es kam ganz darauf an, welches Schiff oder welcher Sturm sie zuerst fand.

Nun fahren wir an der Hjelm Bugt entlang. Das namensgebende Hjelm ist nur ein winziges Dorf, wie eigentlich alle Orte entlang der restlichen 40 Kilometer auf Møn.
Als ich auf die Karte sah, dachte ich: Ah, da in Hovmarken sind viele Häuser, Badestellen, ein Strand und der Radweg direkt am Wasser - das ist bestimmt so ein Badeort mit Eis und kleinen Geschäften.
Von wegen. Na gut, ein schmaler Strand war da wirklich. Aber die Häuser waren einfach alle nur hölzerne Ferienhäuser. Tote Hose, so weit das Auge reicht.

Es dauerte noch einige Kilometer, bis wir einen Ort fanden, wo wir uns stärken konnten. Auf einem Biobauernhof wird das köstliche Møn Is (Eis) hergestellt. Es gibt die normalen Sorten, aber auch ein paar ungewöhnliche wie zum Beispiel Rumkugeln, und natürlich das in Skandinavien obligatorische Lakritzeis. Ich holte mir gleich drei Kugeln. Zumindest irgendjemand traut sich, hier etwas zu verkaufen - das muss ich doch unterstützen!

Ein anderer Hof hat sein eigenes Windrad.

Der Weg brachte uns ein Stück nach Norden, am Steger Haff entlang. Am anderen Ufer war wieder Stege zu sehen. Die Insel ist eben ziemlich schmal.

In einem Wald namens Fanefjord Skov sind noch einige Steigungen zu überwinden. Im Wald gibt es einen Waldpavillon, anscheinend eine Art Restaurant oder so. Dort fand aber irgendeine Feier statt - geschlossene Gesellschaft.

Dieses Hügelgrab stammt aus der Bronzezeit. Rundherum liegen kleinere Hügelgräber mit Asche, weil die Feuerbestattung im Laufe der Bronzezeit hip wurde. Ansonsten, so erklärt das Hinweisschild, wurden die Hügelgräber bislang nicht archäologisch untersucht. Vielleicht hatten die Archäologen Angst, auf der Insel verhungern.

Wir wollten uns wirklich gern in ein Restaurant oder Café setzen, doch es gab nichts. In einem Ort schien das Café gerade zu für immer zu schließen: Es wurde irgendwas umgeräumt, und als wir fragten, ob geöffnet sei, schüttelte die alte Frau nur traurig den Kopf. Im öden Hårbølle Havn hingegen verkündete das Schild am Café fröhlich: "Geschlossen. Folgen Sie uns auf Facebook und Instagram."
Ich dachte, Møn sei das Rügen Dänemarks, dabei ist der allergrößte Teil der Insel jenseits der Kreidefelsen überhaupt nicht auf Touristen eingestellt, toter als die Uckermark und doofer als Mělník. Die meisten Reisenden überspringen diese Insel wohl, anders kann ich mir das nicht erklären.

Am Ende der Insel umrundeten wir noch den Fanefjord.

An seinem Ufer steht die schneeweiße Fanefjord Kirke.

Als nächstes zwang uns der Weg auf eine lange, stark befahrene Hauptstraße. Einen Radweg gibt's leider nicht, sodass wir mal wieder einige LKWs näher kennenlernten, als uns lieb war. Doch ein Gutes hat diese Straße auf jeden Fall: Sie bringt uns runter von Møn. So fantastisch die Kreidefelsen gestern auch waren, mittlerweile konnten wir es doch nicht erwarten, diese Insel hinter uns zu lassen.
Die Straße führt auf einem Damm über das Meer. Nur ein winziger Teil ist tatsächlich als Brücke ausgeführt, damit das Wasser durch dieses Nadelöhr durchfließen kann.
Mitten auf dem Damm konnten wir fast alle Inseln dieser Tour (außer Peberholm und Amager) auf einmal sehen: hinten Møn, vorne Bogø, rechts Sjælland, links Falster und unter unseren Füßen Barholm. Auf ein Foto passen die aber nicht drauf - höchstens auf eins dieser Panoramafotos, aber so was kann meine Kamera nicht...

Die Straße überquert

Insel Nr. 5: Barholm

Das ist einfach nur ein flaches Stück vorgelagerte Wiese, die als Weideland genutzt wird. Dann folgt auch schon

Insel Nr. 6: Bogø

Diese Insel ist mit weiteren Weideflächen und Wäldern bedeckt. Die Hauptstadt und einzige Stadt klingt wie das Geräusch, wenn die Waschmaschine fertig ist: Bogø By. Diese Ortschaft setzt sich zusammen aus den Stadtteilen Gammelby und Nyby, und das war's auch schon mit der Gliederung der Insel.
In Bogø By kommt zwar nicht direkt urbanes Flair auf, doch zumindest gibt es hier eine Apotheke und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs. So etwas haben wir auf der letzten Insel entlang einer Strecke vermisst, die deutlich größer war als Bogø. Auf Møn denken wohl alle: Och, dann fahren wir halt mit dem Auto nach Stege. Auf Bogø hingegen haben sie den Ehrgeiz, alles selbst dazuhaben und nicht von der Nachbarinsel abhängig zu sein, obwohl die über eine Straße schnell zu erreichen ist (außer bei Sturmflut oder so).

Die Insel Bogø ist so klein, dass wir auf ihr nur ein einziges Mal abbiegen mussten. Rechts geht es in die Stadt, links zum Fähranleger. Da wollten wir hin. Während wir auf die Fähre warteten, stärkten wir uns endlich in einem geöffneten Café. Ja, so etwas Unglaubliches hat Bogø! Es gibt dort selbstgemachte Wildschweinpizza und das Møn Is.

Die kleine Fähre namens Ida überquert stündlich den Grønsund. Sie legt an auf der

Insel Nr. 7: Falser

Wir landen zwar nicht in der größten, dafür aber in der ältesten Stadt der Insel (vermuten die Historiker jedenfalls): Stubbekøbing hat ein paar Industriegebäude und irgendwie eine düstere Atmosphäre.

Am Ufer des Grønsunds liegen schöne Strände, Parks und Spielplätze. In der Ferne ragt aus dem Dunst der Grund, warum die Fähre Ida nicht mehr so wichtig ist und bloß zur Hauptsaison und in den dänischen Herbstferien fährt. Und warum es im Stubbekøbinger Hafen so ruhig ist.
Die Autobahnbrücke. Sie verbindet zwar nur Falser mit Seeland und berührt unterwegs die Insel Farø, aber dabei zweigt auch eine Autobahnausfahrt nach Bogø ab. Als kleine Insel muss man sich in Dänemark nur eng genug zwischen den wichtigen Inseln platzieren, dann wird man auch gut angebunden.
Für Radler ist die Autobahn natürlich taub: Falls die Fähre Ida nicht fährt, müssen sie Møn und Bogø komplett weglassen und mit einer anderen Brücke (hinter der Autobahn) direkt von Seeland nach Falster wechseln.

Nach dem Rinderwahn der letzten Nacht hatten wir das Bedürfnis nach einem richtigen Bett, zumal unsere Luftmatratze ein Leck hatte. Also machten wir uns in Stubbekøbing auf die Suche nach einigen nicht existierenden Bed and Breakfasts. Google und die Einwohner schickten uns eine gute Stunde lang kreuz und quer durch die Straßen, ohne dass wir ein Bett fanden. Eine alte Frau warb leidenschaftlich für die kostenlosen Shelter-Hütten am Strand, aber mit kaputter Luftmatratze auf dem Holzboden, direkt an den Hafenanlagen, war das wenig verlockend.

Doch auf eines konnten wir uns verlassen: Stubbekøbing hat einen Campingplatz. Jeder Ort in Dänemark hat einen Campingplatz, das ist ungeschriebenes Gesetz. Und auch für die Benennung eines Campingplatzes gelten strenge Regeln, der Name muss immer folgendermaßen lauten: [Hier Ortsname einfügen] Camping. Andere Namen sind unzulässig.
Der Zeltplatz in Stubbekøbing hatte auch eine Hütte frei, und so kamen wir noch zu richtigen Betten. Geht doch.