NEU: Die andere Strecke durch Dänemark - mit opportunistischer Mikro-Insel

Alsternative: Von Flensburg nach Svendborg

Mittwoch, 28. Juli 2021

Von Snoghøj nach Fredericia

Es ist gut, dass ich nicht allein unterwegs bin. Meine Freundin bereichert diese Tour mit Ideen, auf die ich gar nicht gekommen wäre. "Lass uns doch mal Eier kaufen und Rührei zum Frühstück machen!"
"Rohe Eier in der Fahrradtasche? Das überleben die doch nie."
Doch, die Eier haben es tatsächlich überstanden und das Rührei war phantastisch. Gewürzt wurde es mit Rosmarin und Regentropfen.


Anschließend gingen wir ein kalkuliertes Risiko ein und ließen unser altes Zelt auf dem Lagerplatz stehen. Morgen wollten wir zurückkehren und eine weitere Nacht darin verbringen.
Wir hatten also wirklich genug Zeit zum Rührei braten, schließlich mussten wir kein Zelt abbauen und hatten nur etwa fünf Kilometer zu fahren. Mit leichtem Gepäck folgten wir der Hauptverkehrsstraße nach Norden, durch Gewerbegebiete und Fastfood-Restaurants. Die Ostsee war nur einmal hinter einem Segelhafen zu sehen.
Klarer Fall, wir sind in ein richtiges Ballungszentrum eingedrungen: Das Städtedreieck Middelfart-Fredericia-Kolding am zentralen Knotenpunkt des Landes.
Dänemark besteht zur Hälfte aus Inseln und zur anderen Hälfte aus der Halbinsel Jütland. Über die Jütländer Jüten werden auf den Inseln manchmal Witze gemacht, weil sie so hinterwäldlerisch sein sollen. Auf Jütland wohnen die, die damals bei Kolding das Schild Nach Dänemark rechts abbiegen übersehen haben. Eigentlich Quatsch, wir haben auf den Inseln und auf Jütland sowohl urbane als auch ausgestorbene Regionen gesehen.

Definitiv zu einer urbanen Region gehört die Stadt Fredericia. Während der Reiseplanung ließ mich die Frage nicht los, wie ich diesen Namen richtig aussprechen soll. Also habe ich schließlich Google um eine Tonaufnahme gebeten, und heute hat die Durchsage der dänischen Bahn Google bestätigt: Der Name wird zu Frederischja zernuschelt.
Das Besondere an Fredericia ist, dass sie auf dem Reißbrett als Festungsstadt geplant wurde. Deshalb ähnelt sie sowohl Mannheim als auch dem italienischen Lucca. Eine Kombination, die seltsam klingt, aber eigentlich total Sinn ergibt. Was im Direktvergleich mit Lucca allerdings fehlt, ist Zirpen der Zikaden und das italienische Wetter. Das Wetter war wirklich alles andere als italienisch.
Wie in Lucca umschließt ein großer grüner Wall die Stadt. Das ist die am besten erhaltene Verteidigungsanlage in Nordeuropa. Eine Stadtmauer steckt da nicht drin, aber hier und da ragen schöne Bauwerke aus dem Gras. Wir kamen am dicken Weißen Wasserturm vorbei und gelangten dann durch ein elegantes gelbes Tor in die Stadt. Es trägt den bescheidenen Namen Danmarks Port.

Später entdeckten wir eine Mini-Version des Tores auf einem Spielplatz.


Ich wollte gern einen kleinen Spaziergang auf der Stadtbefestigung einlegen. Oben stellten wir überrascht fest, dass ein Teil des Walls direkt an die Ostsee grenzt. Bei diesen Regenwolken konnte der städtische Strand niemanden in die Ostsee locken, auch uns nicht.
Diese Stelle ist unser Wendepunkt, weiter nach Norden sind wir nicht geradelt. Irgendwo da hinten (je nachdem, welcher Theorie man folgt) geht die graue Ostsee in die Nordsee über.

Von innen ähnelt die Stadt eher Mannheim, weil alle Straßen gleich große Quadrate bilden. Darin stehen erhabene Ziegelhäuser.

Der Regen hatte die nassen Straßen leergespült. Nur eine Ziege mit erstaunlich langen Beinen stakste zwischen den Quadraten herum.


Jetzt hatten auch wir genug vom Regen. Zum Glück beinhaltete unser Plan für den Rest des Tages keine weiteren Outdoor-Aktivitäten. Am Bahnhof schlossen wir unsere Räder an und stiegen in einen Zug nach Vejle, wo ein Bus weiterfuhr. Eine Stunde später standen wir im Städtchen Billund.
Hier werden die weltberühmten Legosteine hergestellt. Und weil die völlig zu Recht ein unglaublich beliebtes Spielzeug sind, ist Billund eine einzige Erlebnisstadt. Aus diesen Steinen wurde das Legoland erbaut, eine Kombination aus Miniaturstadt und Freizeitpark (und teurer als beides zusammen). Während die Achterbahnen eher harmlos sind, kommt an diese einzigartige Gestaltung kein anderer Freizeitpark heran. Und das ist noch nicht alles, im Ferienpark Lalandia steht auch noch der beste (und teuerste) Wasserpark Dänemarks. Vor der Stadt fliegen Flugzeuge aus der halben Welt Dänemarks zweitgrößten Flughafen an.

Das liegt natürlich alles gar nicht an der Ostsee. Ich dachte mir, wenn die im Legoland so viele dänische Orte aus Lego nachgebaut haben, könnte ich doch mal ein schönes Bild zeigen, wie die Ostsee im Legoland dargestellt wird. Das war aber gar nicht so einfach: Während die dänische Nordsee ausgesprochen authentisch mit echtem Strandsand und Strandhafer nachgestellt wurde, war das einzige Stück Ostsee (mehr oder weniger), das ich finden konnte, der Kopenhagener Nyhavn.

Auch die Olsenbande marschiert durch das Legoland. Früher waren auch Szenen aus Star Wars zu sehen, aber seit Disney dem Legoland die Rechte entzogen hat, ist die Olsenbande als einzige Filmreihe vertreten.

In Billund hatten wir uns ein Zimmer gemietet. Am nächsten Abend kehrten wir zurück zum Bahnhof Fredericia und radelten die wenigen Kilometer zurück zum Zelt. Es stand völlig unberührt da - wenig überraschend. Das Wetter war noch immer sehr nass, vermutlich hatte sich in der Zwischenzeit überhaupt niemand auf dem Platz aufgehalten.

Montag, 26. Juli 2021

Von Assens nach Snoghøj

Dieser Tag war tierisch nervig und anstrengend. Ekliges Wetter, fieser Gegenwind und immer neue Hügel bremsten uns aus. Und trotzdem waren wir total froh. Weil es einfach nur ein stinknormaler Radtour-Tag war, ohne zerstörte Fahrräder und plötzliche Feuersbrünste.

Morgens hatte eine graue Wolkendecke den ganzen Himmel verschluckt. Naja, dachte ich, der Wind pustet die sicher bald weg, war ja die letzten Tage schon immer so. Und ich muss zugeben, der Wind gab sich alle Mühe. Er pustete und pustete, doch die Wolkenfront nahm einfach kein Ende. Eigentlich gab sich der Wind etwas zu viel Mühe, denn er pustete ausgerechnet von Norden. Und heute wollten wir zufälligerweise nach Norden. Die tief hängenden Wolken ließen ab und zu etwas Wasser fallen. Mich erreichten bereits besorgte Mitteilungen von der Familie: "Oh Gott, ihr Armen, ihr steckt da jetzt im Regen fest und seid bestimmt ganz nass!" Vermutlich war das Wetter in Deutschland schlimmer. Hier fiel nur feiner dänischer Niesel. Der ist zwar auf Dauer nicht gerade toll, aber wirklich durchnässen konnte er uns nicht.


Immerhin, die Wildblumen gedeihen bei diesem Wetter super im Garten Dänemarks, den wir heute verlassen werden.

Wir kämpften uns einen Hügel nach dem anderen hoch und runter. Unten erwartete uns meistens ein kleiner Å, also ein Fluss. Für richtig dicke Flüsse ist die Insel Fyn (oder eigentlich ganz Dänemark) nicht groß genug. Dementsprechend haben die kleinen Wasserläufe kaum individuelle Namen, sie heißen einfach [Hier Dorfnamen einfügen] Å. Einer wurde sogar nach einer Mühle benannt, die wiederum nach einem Dorf benannt wurde - Irgendwas Mølle Å, den genauen Namen habe ich vergessen und auf den Karten finde ich dieses kleine Bächlein nicht wieder.

Moment mal, was? Ein Skiverleih? So bergig ist es hier auch nicht. Das sind doch nicht die Alpen hier.

Obwohl: Bei Føns föhnte uns immerhin ein kräftiger Föhnwind die Haare.
Dort grenzt das Meer ans Moor, und an der Schnittstelle erstreckt sich eine wunderhübsche Wiese, auf der winzige weiße Blüten blühten. Wir betraten sie vorsichtig, natürlich nur auf den Trampelpfaden, und legten eine Mittagspause ein. Auch ein anstrengender Tag hat seine schönen Seiten.

Hinter dem nächsten Hügel erwartete uns

Insel Nr. 12: Svinø

Das bedeutet so viel wie Schweineinsel. Schweine sahen wir keine, nur ein paar Kühe grasten kurz vor der Insel.

Nach einem weiteren Hügel war die Insel auch schon vorbei und wir kehrten zurück nach Fyn. Wobei, das erweckt jetzt einen falschen Eindruck. Svinø hat schon mehr als eine Straße. Nämlich zwei. An der einzigen Abzweigung wies ein Schild darauf hin, dass sogar ein Campingplatz auf dieser Insel Platz gefunden hat.
Dort, wo die Straße zwischen den Inseln wechselt, ist die Ostsee (unter dem Namen Gamborg Fjord) so schmal wie ein Bach. Viele Radler bemerken wahrscheinlich nicht mal, dass sie auf einer anderen Insel waren.

Zum Schluss hatten wir keine Lust mehr auf endlose Zickzackstraßen, also folgten wir der Hauptstraße bis Middelfart.

Das neue dänische Fahrrad machte inzwischen ebenfalls leise Geräusche und meiner Freundin dadurch erhebliche Sorgen. Also ließen wir jemanden im Fri Bike Shop Middelfart einen Blick darauf werfen, der kein Problem entdeckte. Und er hatte tatsächlich Recht, mehr oder weniger. Eine Schraube hatte sich gelockert, wie wir später feststellten, aber damit wurden wir sogar selbst fertig.
Als nächstes wollten wir ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage einkaufen. Dazu sind wir zuerst konsequent an allen Supermärkten vorbeigefahren und dann umgekehrt. Auf diese Weise haben wir auch etwas von der Großstadt gesehen, in der alte und neue dänische Architektur aufeinanderprallen.

Am Hafen hatten wir volle Sicht auf die Stahlseile der Ny Lillebæltsbro (Neue Kleiner-Belt-Brücke). Diese Autobahn ist seit 1970 die wichtigste Verbindung zwischen dem Festland und den dänischen Inseln.

Davor mussten Autofahrer die Gamle Lillebæltsbro benutzen. Heute fahren da Radfahrer, Eisenbahnen und alle Autofahrer, die die neue Brücke immer noch nicht entdeckt haben. Die beiden Brücken haben also im Prinzip dieselbe Arbeitsteilung wie die Rügenbrücke und der Rügendamm, mit dem Unterschied, dass hier sogar noch weniger Autos auf der alten Strecke unterwegs sind.
Wir mussten jedenfalls zur alten Brücke, was gar nicht so leicht war. Wir folgten dem Kiesweg am Kleinen Belt entlang. (Der ist wirklich klein.) Irgendwann war die Brücke schon sehr nah, aber auch sehr viel höher als wir. Wie kommen wir da nur rechtzeitig hoch, bevor wir untendurch sind?

Kurz vor der Brücke tauchte eine steile Waldstraße auf. Das sanfte Rauschen des Brückenverkehrs kam immer näher.

Unter dieser Verkehrsachse entdeckten wir überraschend eine Herde Rehe. Direkt neben der Brücke befindet sich ein Wildtiergehege, das wir sogar betreten durften. Wir sind nur einen Meter weit reingegangen, um die Tiere nicht auf ihrem Abendspaziergang zu stören. Der eine Meter bewirkte schon, dass
a) wir sie wesentlich besser sehen konnten, weil kein Zaun im Weg war und
b) sie uns eine Minute lang furchtsam anstarren, um dann Tempo ihres Abendspaziergangs erheblich zu beschleunigen.

Die Gamle Lillebæltsbro ist eine ältere Eisenbahnbrücke aus Stahl und Beton. Durch die dicken Stahlstreben erreichten wir endlich wieder das

Festland

Das Inselhopping ist geschafft! Wir sind von Schweden bis zum mitteleuropäischen Festland geradelt, das ist doch schon mal ein Teilerfolg. So richtig feierlich war der Moment allerdings nicht. Die Wolken berieselten uns immer noch, und wir wollten einfach nur schleunigst unser Ziel erreichen. Von oben erspähten wir eine große Wiese mit einem Zelt. "Ist das unser Platz?", fragte meine Freundin. Hm, könnte ungefähr hinkommen, dachte ich.
Wir mussten noch eine große Schleife rund um die Brücke drehen: Zuerst weg von der Straße und dann wieder zurück und unten durch. Ach so, schade, die Wiese gehört doch nur zu irgendeiner Veranstaltung.

Langsam setzte bereits die Dämmerung ein. Deshalb waren wir ziemlich erleichtert, als wir am Straßenrand endlich auf einem kleinen Pfosten das vertraute grüne Symbol mit einem Zelt entdeckten, das uns den Weg zum Naturlagerplatz wies. Bis zum Ziel mussten wir noch einige Pfade auf und ab radeln, unter anderem über einen vibrierenden Schlauch. Er gehörte zu einer brummenden Maschine, die Wasser aus der Erde pumpte.

Dieser Naturlagerplatz war diesmal im Prinzip nur eine kleine Wiese, die wir für uns hatten (abgesehen von einer Familie, die kurz zum Beerensammeln vorbeischaute). Bei diesem Wetter hatte echt niemand Lust auf wildes Zelten, außerdem lag die Wiese wirklich total versteckt hinter Bäumen, Kuhweiden und einem See. Aber irgendwann müssen hier schon einmal Menschen gezeltet haben - der Müll in den Büschen hat sie verraten.
Am anderen Seeufer liegt eine Kunsthochschule, die den Lagerplatz für Reisende zur Verfügung stellt. Dort sollte es angeblich Wasser und Toiletten geben. Als wir abends noch etwas Wasser brauchten, war ich mir unschlüssig: Soll ich da jetzt wirklich noch hinradeln? Ob ich den Weg in der Dunkelheit überhaupt finde? Und selbst wenn, so eine Hochschule ist groß, und wer weiß, ob das mit dem Wasser überhaupt noch stimmt (diesbezüglich hatten wir ja schon ein paar Enttäuschungen erlebt)?
Ich machte es dann einfach trotzdem und, was soll ich sagen, ich fand auf Anhieb den Weg um den See und die betreffende Tür. Diesmal musste ich die Trinkflaschen nicht mal in ein viel zu kleines Waschbecken stopfen, auch ein Schlauch stand mir zur Verfügung. Und auf dem Weg hatte ich einen wunderbaren Blick auf die beleuchtete Brücke. Danke, liebe Kunsthochschule!

Sonntag, 25. Juli 2021

Von Millinge nach Assens

Eine andere besondere Landschaft sind die Svanninge Bakker, auch bekannt unter dem maßlos übertriebenen Namen Fünische Alpen. Sie verbergen sich ein paar Meter hinter dem Dorf Svanninge und enthalten irgendwo ganz hinten auch einen Wildcampingplatz für alle, die richtig tief in die Hügel eintauchen.
Diese Hügel waren mal kahl und voller Heidekraut. Aber Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Schafherden immer kleiner und die Äcker brachten auch kaum was, deshalb wurde Wald gepflanzt. Das wurde inzwischen wieder rückgängig gemacht - also gibt es dort Heidekraut? Ist das so was wie die Paradiesbakkerne auf Bornholm? Nee, nur gelbes Gras, schade. Trotzdem schön, aber sicher keine Fünischen Alpen. Eher die Fünische Kösterbecker Schweiz.


Ansonsten besteht die Route aus hügeligen Nebenstraßen mit weißen Fachwerkhäusern, ziemlich weitab von der Küste. Überraschenderweise schimmert das Meer trotzdem hier und da mal in der Ferne hervor, wenn auch eher selten.

So richtig nah kommt man ihm nur an Den Franske Riviera. Ja, nee, ist klar - erst die Alpen und jetzt auch noch Französische Riviera - als ob!
Dabei hatte die Karte nicht Unrecht. Also, glaube ich zumindest, denn ich war noch nie an der Französischen Riviera. Aber diese geschwungene braune Steilküste hatte durchaus etwas Exotisches.

Ach ja, und zwei Halbinseln gibt es auf dem Abschnitt auch noch: In Bøjden fährt eine Fähre nach Fynshav auf der Insel Als, und auf Helnæs gibt es weitere naturbelassene Hügel namens Bobakkerne. Allerdings sind beide nur über stark befahrene Hauptstraßen zu erreichen.

So. Das war die Strecke, die ich später nachgeholt habe. Auf unserer Tour von 2021 ging es aber folgendermaßen weiter:

Noch war das Drama nicht zu Ende. Weil die Spiritusflasche leer war, konnten wir den nächsten Tag nicht mit einem Kaffee bzw. Tee beginnen. Das war schlecht. Wir radelten zurück nach Faaborg und steuerten zielstrebig den Fri Bike Shop an. Doch der Mechaniker war noch im Urlaub. Da wussten wir, dass unsere Pechsträhne noch lange nicht vorbei war.

Ob wir es mit dem klappernden Rad in die nächste Stadt schaffen würden, bevor die Werkstatt dort schloss? Und würde das Rad bei der Fahrt nicht noch mehr Schaden nehmen? Nein, da nahmen wir lieber den Bus. Dabei stellten wir fest: Auf der Insel Fyn nehmen die Busfahrer Bargeld, sind dick bepackt Radlern gegenüber genauso freundlich - und sie fahren ausnahmslos alle nach Odense. Was bedeutet, dass wir umsteigen mussten und eine höchst deprimierende halbe Stunde unter den scheußlichen Bögen der Bushaltestelle Vøjstrup verbrachten.

Auch wenn wir diese 45 Kilometer nicht gefahren sind, war es im Prinzip genauso anstrengend, zwei Räder voller Gepäck rein, raus und wieder rein zu verfrachten, festzubinden, aufzurichten, wenn sie trotzdem umfielen, und wegzuschieben, wenn sie jemandem im Weg waren. Aber zum Glück waren die Busse recht leer.


Der nächste Fri Bike Shop lag in Assens und war schon mal eine Verbesserung: Hier befand sich der Mechaniker nicht im Urlaub, er hatte halt nur keine Zeit. Sein Terminkalender war voll. Eigentlich. Aber wir sahen so verzweifelt aus, dass er ein paar Sachen schob und plötzlich doch noch eine Lücke entdeckte. Um 15 Uhr sollte das Rad fertig sein. Erleichtert machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt, wir wollten solange essen gehen.
Das Wetter war allerdings noch nicht so richtig freundlich. "Brauchen wir einen Test für drinnen?", fragte ich, denn die Regeln ändern sich ja immer mal wieder. "Ja", meinte der Kellner ratlos, "Vorhin war hier ein Testbus, ich weiß nicht, wo der hingefahren ist."
Also verzehrten wir unsere großen, köstlichen Burger draußen in der Kälte. Das schien dem Kellner mehr auszumachen als uns, er entschuldigte sich und brachte warme Decken.

Eine Stunde später kehrten wir zur Werkstatt zurück. Auch der Mechaniker wirkte irgendwie, als müsse er sich für etwas entschuldigen. War er etwa noch nicht fertig?
Jein. Er führte uns in den Hinterhof und zeigte uns, dass das Gewinde im Inneren des Rades hoffnungslos zerkratzt sei. Eine Reparatur war unmöglich. Das wars dann also, dachte ich. Hier und jetzt endet diese Reise. Stattdessen sollte sich unsere Reise in diesem Hinterhof endlich zum Guten wenden. Denn es geschah, was ich gar nicht zu hoffen gewagt hatte: Der Laden hatte ein gebrauchtes Rad, mit dem meine Freundin gut fahren konnte, und das zu einem guten Preis. Als sie glücklich lächelnd von ihrer Probefahrt über den LIDL-Parkplatz zurückkehrte, da schöpfte ich wieder Hoffnung. Bald darauf erwarb sie das graugrüne dänische Rad, auf dem wir nach Deutschland zurückkehren sollten. Und das, unglaublich aber wahr, ohne jede weitere ernsthafte Panne.

Assens ist eines dieser Städtchen, die keine Fußgängerzone haben und es trotzdem hinkriegen, dass man sich angenehm durch die Innenstadt bewegen kann.

Assens ist ähnlich hübsch wie Faaborg, und diesmal hatten wir sogar Zeit, um das besser wertzuschätzen. Der hiesige Brunnen zeigt einen Jungen mit spuckender Eidechse.

Wir hatten sogar endlich mal Zeit, um einer dänischen Miniby einen Besuch abzustatten. Das hatte ich schon seit der letzten Tour vor. Dazu liefen wir durch ein offenes Tor und warfen 20 Kronen in eine Spendenbüchse. Anders als die Miniaturstädte in Køge, Faaborg (die habe ich immerhin von außen gesehen) oder Bützow ist die Miniby Assens ziemlich klein und wird per Kasse des Vertrauens finanziert.
Die Häuser werden anhand von historischen Plänen und Zeichnungen rekonstruiert. Wie es aussieht, hatte Assens damals sogar noch mehr weiße Häuser. Der Kirchturm wurde gerade erst gemauert, dort stand auch ein Tisch mit Mörtel und den entsprechenden Werkzeugen. Wir fühlten uns fast, als seien wir unerlaubt in die Werkstatt eines Modellbauers eingedrungen.

Andere Häuser hingegen sehen schon sehr alt und ramponiert aus. So eine Ministadt ist eben eine Dauerbaustelle, und hier scheint ein einzelner Modellbauer ganz allein gegen die Windmühlen der Zeit anzukämpfen. Wir drücken ihm die Daumen.

Um unsere Situation völlig ins Lot zu bringen, brauchten wir nur noch einen Campingkocher. Wir mussten noch ungefähr 5384 weitere Geschäfte abklappern, bis wir endlich im Baumarkt Harald Nyborg fündig wurden. Dabei entdeckten wir weitere Seiten von Assens, etwa die hässliche Hafenstraße. Kein Wunder, dass der Ostseeradweg hier nicht direkt an der Ostsee verläuft.

Direkt vor der Stadt erstreckt sich eine herrlich bunte Blumenwiese, dahinter liegt der Bahnhof. Hier fahren aber nur noch Draisinen.
Auf Dänisch werden die einfach und präzise Schienenfahrräder (skinnecykel) genannt. Im Vergleich zu deutschen Draisinen sind sie auch eher einfacher Bauart, haben aber viel mehr Fußraum.

Dahinter beginnt eine Sehenswürdigkeit, die Assens trotz ihres wenig einladenden Namens intensiv bewirbt: Die Schlammbassins.
Als Dänemark mehr als zwei Zuckerfabriken hatte, statt auch nebenan im Industriegebiet von Assens eine. Sie bekam viele Zuckerrüben, die noch voller Erde waren und abgespült werden mussten. Wohin mit dem Spülwasser? Egal, einfach hinkippen. Und als die Fabrik dichtmachte, türmte sich zehn Meter über dem Meeresspiegel ein Natur- und Spaziergebiet aus künstlichen Teichen, in dem Arten ihren Platz gefunden hatten, die anderswo durch Unkrautvernichtungsmittel vertrieben wurden.

In der Nähe von Assens gibt es nur einen Campingplatz, also fuhren wir da einfach hin, ohne zu wissen, was genau uns erwartet. Unser zweiter dänischer Campingplatz stellte sich als das genaue Gegenteil des ersten heraus. Alles war supermodern und schickimicki, deshalb bezahlten wir logischerweise ungefähr doppelt so viel. Der Platz gehörte zu einer Kette namens Camp One. Wir erhielten am Eingang eine Chipkarte, mit der wir die lautlosen Schiebetüren dazu bringen konnten, sich zu öffnen. Die Waschräume strahlten weiß und makellos sauber, sanfte Radiomusik ertönte und auf einem gewaltigen Flachbildfernseher war sogar zu lesen, welches Lied gerade lief. Ein rostiger Duschmünzenautomat hätte hier ungefähr so fehl am Platz gewirkt wie unser Zelt zwischen all den Wohnmobilen. So lange heiß zu duschen, wie wir wollten, war eine tolle Sache, aber um regelmäßig auf so etwas nicht übernachten, reicht das Budget nicht ganz - da kann man sich schon fast ein günstiges Zimmer nehmen.
Auf dem Camp One war es dermaßen windig, dass unser halb aufgebautes Zelt herumtanzte wie eine verrückte Qualle auf LSD. Die Wäsche, die wir zum Trocknen aufgehängt hatten, konnten wir später aus den umliegenden Hecken sammeln.

Direkt nebenan entdeckten wir einen steinigen Strand. Hier war alles flach, die einzigen Erhebungen bildeten ein paar Ferienhäuser am Horizont. Aber auch diese Stelle hatte ihre ganz eigene Faszination. Nach all den geschützten Sunden und Meerengen hatten wir hier mal wieder ein größeres Stück Ostsee, das in höheren Wellen auf die Steine klatsche. Der gnadenlose Wind jagte eine dicke Wolkenbank nach der anderen über uns hinweg und stellte das Wetter immer wieder um: In der einen Stunde war der Himmel komplett grau und es nieselte, in der nächsten Stunde war wieder alles strahlend blau.
Obwohl das Meer hier etwas weiter reicht, erkannten wir am Horizont Land. Diesmal ist das keine andere Insel, sondern schon das Festland. Da wollen wir morgen hin.
Wir blieben eine Weile sitzen, bis die Dämmerung einsetzte und der wilde Wolkenwind uns bis auf die Knochen durchgefroren hatte. Dann verzogen wir uns in den Aufenthaltsraum bei der Küche. Wir seufzten vollkommen zeitgleich im selben Tonfall, als die Schiebetür aufglitt und uns wohltemperierte warme Luft umfing.

Samstag, 24. Juli 2021

Von Rantzausminde nach Millinge

Als ich nach dem heutigen Morgenkaffee den Campingkocher zudrehen wollte, wollte er nicht zugedreht werden. Das blaue Ding spuckte einfach immer weiter Feuer. Mit Mühe und Not gelang es uns, diesen wildgewordenen Taschendrachen zu bändigen, indem wir den Aufsatz vom Gasbehälter abschraubten. Da war jetzt kaum noch Gas drin. Zudem war der Campingkocher eingeschnappt und wollte für den Rest des Tages gar nicht mehr brennen. Ein schlechter Start, aber was solls, kaufen wir eben in der nächsten Stadt einen neuen, dachten wir. Dabei war das erst der Anfang der heutigen Feuerkatastrophen. Heute brannte es an allen Ecken und Enden!

Sagte ich, Langeland sei hügelig? Fyn ist noch viel hügeliger.

Die Insel wird auch Garten Dänemarks genannt. In diesem Garten wächst neben dem obligatorischen Getreide auch die eine oder andere romantische Rosenhecke am Weg. Selbst die Rosen blühen in dänischem Gelb.

Dieser Weg ist eine Zickzackstraße, denn Radwege wachsen im Garten Dänemarks nicht. Es gibt ja genug Dorfstraßen, auf denen bloß alle zwanzig Minuten ein Auto vorbeikommt. Diese Straßen haben nicht den Zweck, dem Meer zu folgen, sondern alle Gehöfte zu erreichen. Um die Ostsee nicht aus dem Blick zu verlieren, mussten wir immer wieder links abbiegen, hoch und runter, nochmal links, zum Meer hin und vom Meer weg und immer wieder links. Eigentlich nicht schwer, es sei denn - verdammt, war da vorne ein versteckter Weg nach links, den ich übersehen habe? Wer auch nur einmal rechts abbiegt, landet in Vester Skerninge. Alle Wege führen nach Vester Skerninge - es ist eine besondere sportliche Herausforderung, dieses Dorf zu umgehen. Bei uns war es mehrmals ganz knapp.


Irgendwann sagte uns sogar die offizielle Route, wir sollten dem Meer den Rücken zuwenden und steil bergauf nach Vester Aby radeln. Dafür gibt es auch einen guten Grund. Dieser Grund heißt Konnerup & Co. und ist eine Schokoladenmanufaktur. Zur großen Enttäuschung meiner Freundin fand heute keine Führung statt, wir konnten nur durch die Scheibe beobachten, wie uns jemand den Rücken zudrehte und irgendwas in einem glänzenden Stahlbottich anrührte.


Schokolade und Eis haben trotzdem gut geschmeckt. Wir haben das Zeug während einer Heiß-Eis-Pause im Liegestuhl vor dem Haus verzehrt und uns dabei einen Wettlauf mit der Sonne geliefert, die unsere Naschereien unbedingt vorher wegschmelzen wollte. Nebenan lieferten sich die Fahrzeuge auf der Hauptverkehrsstraße ebenfalls einen Wettlauf. Schon ein bisschen seltsam, ausgerechnet hier so gemütliche Liegestühle hinzustellen. Aber gut, dieser Laden ist wohl vorwiegend zum Verkauf und nicht zum Verzehr gedacht. Sonst wäre der Standort ziemlich schlecht gewählt. Wir hatten in der Hitze nur die Option Sofortverzehr, denn unsere Taschen sind nicht klimatisiert.

Morgens hatte ich noch überlegt, einfach an dieser Straße weiterzufahren. Nach dem intensiven Kontakt mit der Hauptstraße entschieden wir: Wir nehmen den offiziellen Weg, egal wie lang und bergig der ist. Lass uns den Ravnebjerg bezwingen! Ja, der hat sogar seinen eigenen Namen.
Dieser Berg bietet auch mehr Sehenswertes als die Hauptstraße: Zuerst liegt ein weiteres bescheidenes Einfamilienschloss namens Holstenhuus Gods am Weg. Der Park ist mit einem ganz "kleinen Teich" und (laut Reiseführer) mit einer Via Ferrata ausgestattet. Ich dachte, eine Via Ferrata ein Klettersteig in den Alpen?! Der Ravnebjerg ist doch nur 70 Meter hoch.

Zum anderen liegt auf diesem Berg Dänemarks älteste noch funktionierende Wassermühle. Ich hätte sie mir gern näher angeschaut, das ging aber nicht.

Als wir nämlich die Kieswege und Kreuzungen hochkeuchten, wollte uns das Hinterrad meiner Freundin zeigen, was es alles berühren kann. Ergebnis: Es kann buchstäblich jeden materiellen Gegenstand im Universum berühren, jede Stange, jede Tasche, jedes kleinste Fitzelchen Metall oder Plastik kam plötzlich in Kontakt mit dem Hinterrad, erzeugte dabei sein eigenes blödes Geräusch - und störte beim Fahren. Es wurde so laut, dass meine Freundin irgendwann ihre Ohrenstöpsel herausholte. Jedes Mal, wenn ein neues nerviges Geräusch ertönte, begann ein langes Rätselraten, bis irgendwann ein netter Mechaniker aus Tübingen vorbeischaute und das Hinterrad erfolgreich geraderückte.
Aber das war nicht alles.
Gleichzeitig begann auch noch die Kette an ihrem Plastikschutz zu schleifen. Nachdem zwei Versuche, den richtig zu befestigen, gescheitert waren, schraubte ich den einfach ab. Dann war alles gut.
Bis auf das Tretlager. Das hatte nun ebenfalls keine Lust mehr und ließ die Pedale wild wackeln, klappern und klackern. "Da kann ich euch auch nicht helfen, das muss zur Werkstatt.", meinte der Tübinger und fuhr davon, vermutlich in der Überzeugung, den schlechtesten Tourenradlern Eurpas begegnet zu sein. Hoch oben auf dem Berg erreichte meine Laune ihren Tiefpunkt. In diesem Moment hätte ich Entenküken treten können.

Eine Werkstatt, aber wo? Ratlos rasten wir den Berg wieder runter und konnten das tolle Panorama, das sich unter der Straße ausbreitete, gar nicht genießen. 

In Faaborg gab es zwar einen Fri Bike Shop, doch bis wir dort waren, hatte der längst geschlossen. Genauso wie die Miniaturstadt, die wir uns ursprünglich ansehen wollten. Um der Stadt wenigstens irgendwas abzuringen, kauften wir das vergessene Handtuch und suchten einen neuen Campingkocher. Nachdem wir in vier verschiedenen Läden gesucht hatten, fanden wir zumindest eine Gaskartusche, aber nichts zum Draufschrauben - bis auf ein seltsames Herdplatten-Grill-Ding, das viel zu sperrig für unser Gepäck war.

Wir haben Faaborg ziemlich ungerecht behandelt. Die Stadt ist eigentlich ganz schön, doch wir sind bloß von Geschäft zu Geschäft geeilt.
Faaborg will auch zeigen, dass es im Garten Dänemarks liegt, deshalb wachsen zwischen den bunten Häusern dicke Hecken. Dahinter bimmelt der Klocketårn (Glockenturm) vor sich hin.

Am Hafen gibt es ein Wikinger-Wohngebiet mitsamt dazugehörigem Schiffs-Spielplatz.
Hier legen auch Schiffe zu weiteren Inseln des Südfünischen Inselmeeres ab. Als ich ein paar Dänen fragte, ob die Faaborger Inseln besser seien als die Svendborger, verneinten sie das vehement. Allerdings handelte es sich um Svendborger Dänen, also ist fraglich, ob sie in der Frage völlig unvoreingenommen waren.

Ich hatte schon eine Übernachtung gebucht, und dazu mussten wir mit dem klapprigen Rad noch ein paar Kilometer weiter. Dafür haben wir die direkte Straße genommen. Die Flügel einer Windmühle wiesen uns den Weg zur eigenartigsten Übernachtung auf der ganzen Tour.

Am Waldrand erwartete uns der Shelterplatz Millinge Klint. Moment mal, Klint? Ist hier eine Steilküste? Naja, ein bisschen. Der Millinge Klint ist etwa fünf Meter hoch und komplett zugewuchert mit Grasgewächsen und Buschgewuschel in allen Grüntönen. Jedes Mal, wenn ich den engen Pfad zum Wasser beschritt, piekte mir mindestens ein Dorn durch die Kleidung. Außer später in der Nacht, als ich keine Kleidung trug außer einem Handtuch. (Keine Sorge, es gibt eine harmlose Erklärung dafür.) Da piekte mich der Weg direkt in die Haut. Am Ende des Pfades folgen eine Holztreppe und ein Steg, beide zum Glück ohne Dornen, dafür aber mit toten Krebsen, die daran festkleben. Das Meer ist flach und steinig. Kleine Wellen bringen die Boote zum Schaukeln, die links und rechts an weiteren Stegen vertäut sind.

Unser Schlafplatz lag schon ein paar Meter vor der Küste. Zelten ist hier nicht erlaubt, man soll mit Kreditkarte für vier Euro pro Nase eine Schutzhütte buchen. Der Platz ist vor allem für Gruppen und Schulklassen gedacht. Die Schutzhütten sehen (jedenfalls auf den ersten Blick) viel moderner aus und sind sie mit Schuppen aus dunklem Holz verkleidet, dazwischen gibt's kleine runde Fensterlöcher - mit Plastikscheiben drin, damit die Wärme nicht rausgeht. Womit wir beim ersten Problem wären, denn die meisten Hütten lassen sich nicht schließen. Das hatte ich auf den Fotos im Internet nicht erkannt - wenn das Ding eine richtige Tür hat, rechne ich doch nicht damit, dass eine der Wände komplett offen ist. Ich hatte uns das kleinste Modell gebucht, eine Hütte für zwei Personen, die Skrubben genannt wird. Weil aber sonst niemand da war, sind wir einfach ins Obergeschoss einer großen Doppelstockhütte gezogen, denn nur dort ließen sich alle Öffnungen schließen. Nachdem ich mit einem bereitgestellten Besen den Dreck herausgefegt hatte, war es ganz gemütlich. Nur die Bretter knarrten die ganze Nacht bei jeder Bewegung.
Die ganze Anlage hat mich an einen Escape Room erinnert. In der ewig langen Reservierungsmail auf Dänisch und Englisch verbargen sich alle nötigen Informationen, darunter auch mehrere Geheimcodes zum Öffnen. Wir gaben sie ein, fanden heraus, wie die Türknäufe und Knöpfe funktionieren, um daraufhin neue Gegenstände und deren Funktion zu entdecken.
Ein Code öffnete die Tür zum Waschhaus, auf der Rückseite öffnete ein weiterer Code das Feuerholzlager (1 Sack kostet extra). Da gab es richtige Waschbecken, Toiletten und sogar kalte Duschen. Wobei einigen Duschen der Duschkopf fehlte, während andere zusätzlich mit Schimmel ausgestattet waren. Schade, hier schaut wohl nur selten jemand nach dem Rechten, dabei ist der Platz doch eigentlich so schön.
Jetzt brauchten wir dringend etwas zu Essen. Wie sich herausstellte, war das Universal Gas, das wir für den Campingkocher gekauft hatten, doch nicht so universal. Mit unserem alten, abgewrackten und verformten deutschen Aufsatz passte es jedenfalls nicht zusammen. Mit Gewalt zwängte ich den Aufsatz doch irgendwie drauf, wir brauchten schließlich Essen. Dann drehte ich ihn auf und zündete an. Es kam Feuer heraus. Das war gut.
Allerdings kam es an der Seite heraus. Das war weniger gut.
Vor Schreck purzelte ich hinterrücks vor der Bank, meine Freundin löschte den Kocher schnell. So war das Kochen zu riskant. Also beschlossen wir, das Feuerholz zu nehmen. Schließlich hatten wir eine perfekte Feuerstelle, sogar mit einem Gitter, um den Topf draufzustellen. Nun kenne ich theoretisch im Groben die Regel, wie man so ein Feuer anzündet: Zuerst ganz unten Papier, darüber dünnes Holz und dann dickeres. Doch wann immer ich das versuche, habe ich das Gefühl, das Feuer kennt diese Regel überhaupt nicht. Auch diesmal wollte es nicht brennen. Mist. Müssen wir jetzt kalte Suppe essen? Und wie sollen wir es so je um die Ostsee schaffen? Und wie bin ich Idiot bloß je auf die Idee gekommen, ich könnte so was wie ein Abenteurer sein?
In diesem Moment kam meine Freundin aus dem Waschhaus gelaufen und beendete meine Identitätskrise mit einer Flasche Brennspiritus. Diese Flasche hatte ganz entscheidende Auswirkungen auf unser Schicksal. Sie sollte diese Tour retten, indem sie uns zuerst warmes Essen verschaffte und dann fast umbrachte.

Zum Shelterplatz Millionen Klint gehört auch eine Sauna. Abends zu zweit in der Wildnis auf einer Steilküste zu saunieren klang für uns nach genau die Art von unvergesslichem Erlebnis, das wir auf einer Reise haben wollten. Und es sollte in der Tat unvergesslich werden.
Also hatte ich die Sauna für 20 Euro dazugebucht. Zwei Säcke Feuerholz waren inklusive, denn diese Sauna funktioniert ohne Strom. Bitte kein Meerwasser aufgießen, es rostet, erklärte ein Schild mit einem Bild eines komplett verrosteten Ofens. Okay, dachte ich und holte einen großen Eimer Leitungswasser - nur um festzustellen, dass in der Sauna bereits einer stand.
Nun ging ich verständlicherweise davon aus, dass das mit dem Feuer auch hier nur mit Spiritus klappen würde. Also kippte ich welchen in den Ofen.
Was dann geschah, ging dermaßen schnell, dass ich gar keine Zeit hatte, mich zu erschrecken. Das kam erst später.
Ein Feuerball schoss auf mich zu. Als er sich auflöste, brannten zwei der Wände lichterloh.
Das Hirn meiner Freundin arbeitete schneller. "Oh mein Gott, was tust du?", schrie sie und fiel quasi rückwärts aus der Tür. Übrig blieb ich.
Mit zwei brennenden Wände.
Und zwei Eimern Wasser.
Für diese Rechenaufgabe reichte mein Hirn gerade noch. Dafür muss man kein Einstein sein. Trotzdem bewunderte mich meine Freundin sehr für meinen Mut und Einfallsreichtum, weil ich spontan den Feuerwehr-Aufguss erfunden und den Brand gelöscht hatte (den ich selbst gelegt hatte, aber egal).
Als das Wasser die Flammen traf, verschwanden sie sofort und hinterließen zwei zischende dicke Dampfwolken, die auch auch nicht größer waren als bei jedem normalen Saunaaufguss.
Meiner Freundin war klar geworden, dass ich noch drin war. "Brennt es noch?", fragte sie ängstlich.
"Nur im Ofen", antwortete mein Gehirn automatisch, nachdem es die Umgebung nach Feuern gescannt hatte.
Nachdem sich der Dampf verzogen hatte, betrachteten wir verwundert das Holz. Es war nur ein ganz kleines bisschen dunkler geworden. Vermutlich würde es niemandem auffallen, und ein wirklicher Schaden war ja auch nicht entstanden.

Wir verbrachten dann doch noch einen wunderbaren Abend mit der Sauna, fast genau so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Nach einer Stunde hatten wir den Ofen so richtig auf Touren gebracht und mussten sogar lüften, um nicht die Höchstgrenze von 100 Grad zu überschreiten, mehr durften wir der Sauna laut der Anleitung nicht zumuten. Erst spät in der Nacht plumpsten wir wie ein Stein auf unsere Luftmatratze.