NEU: Die andere Strecke durch Dänemark - mit opportunistischer Mikro-Insel

Alsternative: Von Flensburg nach Svendborg

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Donnerstag, 2. September 2021

Von Flensburg nach Steinberghaff

Im Sommer 2021 geschah das, was kaum noch jemand der Bundesregierung zugetraut hätte: Plötzlich konnte sich jeder gegen Corona impfen lassen. Wirklich jeder? Nein! Ein paar tapfere niedersächsische Bürokraten taten alles, um meiner Freundin vollen Impfschutz zu verwehren. Mithilfe nicht funktionierender Websites, gezielter Fehlinformation und gegenseitigen Schuldzuweisungen hatten sie bewirkt, dass sie eine Erstimpfung, aber keinen Termin für die zweite hatte. Warum ich das erzähle? Weil das den Rest unserer Reise maßgeblich bestimmen sollte.
Morgens an der Flensburger Hafenspitze unternahmen wir einen weiteren Versuch und riefen ungefähr 4673 verschiedene Telefonnummern an. Schließlich tat sich ein Loch im Bürokratiedschungel auf: Am 15. September war in Rostock etwas frei. Das bedeutet: Ab jetzt wird nicht getrödelt, denn bis Rostock ist es noch ein ganzes Stück. (Spoiler: Es wurde trotzdem getrödelt.)

Impf-Countdown: Noch 13 Tage

Die Nähe zu Dänemark ist nicht nur kulturell, sondern auch geographisch zu spüren. Die deutsche Seite der Förde ist genauso hügelig wie die dänische. Auf so viele Steigungen hatten wir keine Lust. Den ersten Hügel versuchte ich zu umgehen, indem ich einfach direkt an der Förde blieb. Wir gerieten in ein abgewracktes Industriegebiet. Ab und zu steckten wir zwischen Bäumen und Bauzäunen in einer Sackgasse, aber insgesamt funktionierte es - der Weg blieb flach.

Super, dann können wir das beim zweiten Hügel ja auch so machen! Aber da machte uns die Bundeswehr einen Strich durch die Rechnung.

Am Ufer der Ostsee erhebt sich nämlich die Marineschule Mürwik. Hierher flüchtete Großadmiral Dönitz, der zweite und letzte Kanzler des Nazireichs, und unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation. Im sogenannten Roten Schloss am Meer werden alle deutschen Marineoffiziere ausgebildet.

Sie lernen wahrscheinlich, was sie mit diesem grauen Kriegsschiff anstellen sollen, falls Putin angreift.

Dabei dürfen sie auf keinen Fall gestört werden. Deshalb schlängelt sich der Weg kurz vor der Marineschule den Berg hinauf. Unten dürfen wir nicht weiter. Der ganze Weg ist von Zäunen und Warnschildern umgeben, damit sich auch ja alle Zivilisten verpissen. Okay, okay, dann fahren wir halt über den Berg, bitte erschießt uns nicht, danke.

Oben entdeckten wir zufällig das berühmteste Gebäude Flensburgs: Das Kraftfahrt-Bundesamt merkt sich die schlimmsten Sünden, die deutsche Autofahrer im Straßenverkehr begangen haben. Es sieht ungefähr so aus, wie man sich ein Gebäude mit diesem Namen vorstellt. Jetzt haben wir mal gesehen, in was für einem altbackenen Speicher diese Daten landen. Bisher war dieses Gebäude für uns auch nur ein Name auf einer Karte - oder anders ausgedrückt, irgendein Punkt in Flensburg.

Unter dem wachsamen Auge dieses Bundesamts hielten wir uns besonders brav an die Verkehrsregeln. Deshalb schoben die Räder ordnungsgemäß auf dem Bürgersteig, als wenig später Bauarbeiten die Straße blockierten. Die Stadt Glücksburg beglückte uns mit diesen Baustellen-Bergen, vermutlich aus Rache, weil wir keine Lust auf einen Umweg hatten und ihr berühmtes Wasserschloss verschmähten.

Hier hat irgendjemand einen handgeschriebenen Wegweiser ergänzt. Dabei ist das Fahrradschild doch eigentlich eindeutig.

Der Wegweiser wäre an der nächsten Kreuzung im Wald, nur wenige Meter entfernt, besser aufgehoben gewesen. Hier musste ich mich erst eine Weile orientierungslos umschauen, bis ich weiter hinten an der übernächsten Kreuzung das nächste Schild erspähte. Während wir uns Essen kochten, beobachteten wir viele Radfahrer, die erstmal orientierungslos ein paar Meter in die falsche Richtung irrten. Während wir aßen, wurden unsere Hände und unser Besteck vorübergehend zum Wegweiser, wann immer jemand vorbeikam.

Menschen, die per Anhalter durch Schleswig-Holstein fahren, werden von diesem Bundesland besonders unterstützt. Immer wieder sind uns die Mitfahrbänke aufgefallen. Die Anhalter können nicht nur darauf sitzen, sondern auch ein Schild anhängen, in welche Stadt sie wollen. Allerdings haben wir nie jemanden gesehen, der darauf saß. Ich haben gewisse Zweifel, ob im Zeitalter von Online-Mitfahrdiensten noch ein Bedarf an solchen Dingern besteht. Sie sehen aber ganz hübsch aus und verschönern damit auch die Straßen.

Der Radweg ging noch eine ganze Weile an der Straße entlang, bevor wir wieder an den Strand durften.
Weil hier früher die Angeln gelebt haben, heißt diese Landschaft, ähm, Angeln. Irgendwann segelten die Angeln von hier los, um sich zusammen mit den Sachsen und Jüten Gebiete in Großbritannien zu angeln. Später kamen Germanen auf dem Ostseeradweg von Jütland nach Angeln und brachten einen Haufen dänische Dorfnamen mit. Wir sind ja quasi auch Germanen (zumindest teilweise) und kommen aus derselben Richtung, haben aber bloß eine fast leere Packung Skyr und eine Tüte Karamellbonbons im Gepäck, die inzwischen zu einem einzigen Karamellbonbon zusammengeschmolzen sind.
Andauernd entdeckten wir Dorfnamen, die uns (in leicht veränderter Schreibweise) aus Dänemark bekannt vorkommen. Viele enden auf -up oder -by, darunter mindestens sechshundert Niebys. (In Dänemark gibt es sogar ein Ny Nyby, also eine Neue Neustadt, aber so ein Name war den Deutschen dann doch zu neu.) Auch das dänische Dorf Gejl hat hierzulande einen geilen Namensvetter.

Viele andere Dinge verändern sich jedoch in Deutschland, insbesondere die Trinkwasserversorgung und die Übernachtungsmöglichkeiten.
Wir können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass uns die Kirchen regelmäßig Trinkwasser verschaffen. Solange wir in der Nähe touristischer Strände bleiben, ist das nicht so schlimm. Hier gibts in regelmäßigen Abständen kostenlose Strandklos, damit die Badegäste nicht in die Ostsee pinkeln müssen. Sie befinden sich in kleinen eckigen Häuschen, die praktischerweise aufgrund ihrer bemerkenswerten Hässlichkeit sofort herausstechen. Dieses hier steht in Steinberghaff, dem Ostseebad der drei Lügen: Kein Stein, kein Berg und kein Haff.

Auch mit dem Übernachten ist es etwas... naja, einerseits leichter, aber am Ende doch schwieriger. In Deutschland ist Wildcampen verboten - behaupten viele Leute. Dabei stimmt das gar nicht. Manche Bundesländer, darunter auch die Ostseeländer Schleswig-Holstein und MV, machen eine Ausnahme -  für nicht motorisierte Reisende (sind wir), eine Nacht (das reicht uns), nicht im Naturschutzgebiet (schwieriger, als es klingt) und wenn es privatrechtlich erlaubt ist. (Äh, naja, ach, da steht kein Verbotsschild und kein Zaun, also ist es hoffentlich erlaubt - woher sollen wir denn wissen, wem das gehört und wen wir fragen sollen? Zumindest bei einem Staatsforst sollte es ja wohl gehen, denn der Staat hat uns seine Regeln ja gerade schon verraten.) Wenn wir in der Wildnis schlafen wollten, haben wir uns eine versteckte Stelle im Wald gesucht. Zum einen, weil die meisten anderen Flächen sowieso landwirtschaftlich genutzt werden, zum anderen, damit uns niemand stört, der die entsprechende Vorschrift nicht kennt oder anders interpretiert.

Dass der Wald kein Naturschutzgebiet sein darf, ist kein Problem, dachte ich, denn die sind ja alle in der Karte eingezeichnet. Bis beim Mittagessen im Wald (wo die vielen Radler falsch gefahren sind) ein Schild überraschend verkündete, dieser Wald sei ebenfalls Naturschutzgebiet. Na so was, die Karte ist gar nicht mehr aktuell. Wir suchten im Internet eine Karte mit Naturschutzgebieten in Schleswig-Holstein heraus und, oh nein, auch in dem Bereich, wo wir heute eigentlich schlafen wollten, war alles geschützt. Das bedeutet, wir mussten schon 8,5 Kilometer früher in einem anderen Wald schlafen gehen. Die heutige Strecke war dadurch etwas entspannter, aber morgen wird der Weg richtig lang.
Der Wald hinter Steinberghaff war hatte eine wunderbare versteckte Ecke, nebenan waren wieder einmal Kühe. Ich musste nur die großen Äste zur Seite räumen, dann war der Boden ideal.

Ich pumpte die Luftmatratze auf. Kurz darauf war sie schon wieder halb leer. Ich brauchte nicht lang zu Suchen: An der Oberseite klaffte ein richtig großes Loch, als hätte jemand mit einem Messer hineingestochen. Wie ist das denn passiert? Wir hatten zwei Arten von Flicken für Matratzen dabei, aber keiner der beiden konnte sich dem pfeifenden Luftstrom widersetzen. Erst beide Flickenarten übereinander fanden genug Halt.
Erleichtert ließen wir uns auf die Matte fallen, die prompt ein anderes Geräusch von sich gab. Eine Art dumpfes Surren. Entweicht etwa immer noch Luft? Ich lauschte an den beiden Flicken, aber dort war alles in Ordnung. Das Geräusch klang auch ganz anders... und es schien sich irgendwie zu bewegen.
Wir waren so müde, dass es viel zu lange dauert, bis der Groschen fiel. Ein Insekt war in der Matte gefangen, vermutlich eine Fliege! Wie zur Hölle war es da reingekommen, und seit wann? Die letzten zwei Nächte hatten wir die Matte ja gar nicht benutzt.
Zu Hause ist es schon schwer genug, einer Fliege begreiflich zu machen, dass sie einfach nur durch das sperrangelweit geöffnete Fenster fliegen muss. Unsere Chancen, dieser Fliege mitten in dunkler Nacht den Weg durch ein kleines Ventil zu weisen, standen vermutlich schlecht. Und das Insekt war offenbar auch müde, es summte nur, wenn wir uns wirklich viel bewegten. So ließen wir die Fliege fliegen und verbrachten in Anbetracht der Umstände eine überraschend ruhige Nacht
Als ich am nächsten Morgen die Luft herausließ, erschraken wir dennoch, als eine total fette Hummel aus dem Loch dem Licht entgegenflog. In dieser Nacht hatten wir wortwörtlich Hummeln unterm Hintern!

Samstag, 31. Juli 2021

Von Genner nach Flensburg

Unser letzter Dänemark-Tag begann mit einer hübschen gelben Wassermühle. Sie versteckte sich zwischen zwei steilen Hügeln im Wald.


Einen etwas befremdlichen Eindruck hinterließ bei uns der Ort Løjt Kirkeby. Hier vollführte gerade irgendein Kindergartenclown ein rätselhaftes Ritual auf dem Schulhof. Er hängte Fahrräder an eine eigenartige Skulptur oder ein Klettergerüst oder was auch immer, tanzte drumherum, hantierte an den Rädern herum und betätigte ab und zu eine Fahrradklingel.
Nebenan wurde die Straße neu geteert. Es standen ein paar Warnschilder herum, aber so richtig abgesperrt war die Fahrbahn nicht, obwohl der frische Asphalt noch dampfte. Wir schoben unsere Räder lieber auf dem Bürgersteig. Schon dort war die Hitze kaum erträglich: Von oben brannte die Sonne und von unten der Boden. (Wären wir doch nur an einem kalten Tag an dieser Straße vorbeigekommen, dann hätte uns die Baustelle schön durchgewärmt.) Auf einmal überholte uns ein elektrischer Rollstuhl. Sein Fahrer entstammte offenbar dem Hause Targaryen oder hatte eine hitzeresistente metallische Haut (die so schwer ist, dass er im Rollstuhl sitzen muss - das ergibt Sinn). Ohne zu zögern steuerte er mitten durch die flammendheiße Hölle, zwischen den Dampfschwaden des frischen Asphalts hindurch.

Auf den nächsten Abschnitt freute ich mich besonders, denn es handelt sich um einen Bahnradweg namens Knapstien. Hier fuhr einst die... äh... Æ Kleinbahn nach Abenraa. Der größte Teil des Knapstien ist ein Wanderweg, erst auf den letzten Kilometern stößt der Ostseeradweg dazu. Zuerst sind wir unten durchgefahren, ein altes Viadukt aus Feldsteinen macht's möglich. Es liegt im Dorf mit dem passenden Namen Ste(i)ntofte.

Bald darauf verließen wir die Straße und schoben die Räder einen steilen Pfad aus Gras hinauf. Puh, jetzt kann der Spaß beginnen!
Diese Bahntrasse ist etwas schmaler als auf die auf Lolland, schließlich fuhr hier nur eine Kleinbahn. Der Kiesweg ist überaus grün, schattig und abwechslungsreich. Wir sahen weite Wälder, Kuhweiden, einmal kurz das Meer und zum Schluss die ersten Einfamilienhäuser von Abenraa. Ich sollte allerdings erwähnen, dass wir das alles nur durch die Bäume hindurch sahen. Das bedeutet, wir konnten es nur so halb erkennen und die Kamera gar nicht. Die Fotos vom Knapstien sehen dementsprechend alle gleich aus.

Einzige Ausnahme ist dieser Betonrastplatz am Ortseingang (hinter der Hecke verbirgt sich das erste Haus der Stadt).


Der Knapstien brachte uns direkt in die Großstadt Abenraa (unnötige Eindeutschung: Apenrade). Das war mal eine bedeutende Handelsstadt, was man zum Beispiel am Zollamt erkennt. Es wurde mit extravielen Schutzdächern gebaut, damit die Leute möglichst gut vor der heißen karibischen Sonne geschützt werden. Nun liegt, wie der eine oder andere vielleicht weiß, Dänemark gar nicht in der Karibik (obwohl es genauso viele Inseln hat). Der Bauplan war eigentlich für ein Zollamt auf den Jungferninseln gedacht, aber irgendwer hat die Pläne durcheinandergebracht, keiner der dänischen Bauarbeiter hat etwas gemerkt und jetzt gibt es dieses Gebäude halt zweimal. Bei der heutigen Hitze haben sich die Mitarbeiter bestimmt über den Fehler gefreut - der angesichts der globalen Erwärmung langfristig gesehen gar kein Fehler war.

Abenraa ist ein bisschen hügelig. Deshalb beschlossen wir, die Räder am Rand der Altstadt anzuschließen und einen Spaziergang zu Fuß zu unternehmen. Die Stadt besteht ähnlich wie Svendborg und Haderslev aus bunten Häusern mit einem bunten gastronomischen Angebot, das unsere Pläne sehr schnell von Lass uns kurz in eine Café setzen zu Lass uns richtig was essen änderte. Wo sonst kann man in einem dänischen Restaurant großartiges indisches Essen mit belgischen Waffeln zu Nachtisch verspeisen? Das nenne ich mal internationale Küche.

Völlig vollgestopft erhoben wir uns wieder und kehrten zu unseren Rädern zurück. Verdammt, wo sind die denn? Diese Straße hier kommt mir überhaupt nicht bekannt vor. Lass uns nochmal zurück zum Marktplatz gehen.
Erst beim dritten Versuch entdeckten wir die richtige Gasse.

In Abenraa stand auch noch ein anderer wichtiger Punkt an: Meine Freundin brauchte einen Coronatest für die Einreise nach Deutschland. In einem niedrigen grauen Glaskasten im Gewerbegebiet befand sich das Testzentrum von Abenraa. Zum Glück ist Dänemark eines der drei europäischen Länder, wo auch Ausländer sich kostenlos und (fast immer) ohne Termin testen lassen können. Die dänische Regierung veröffentlicht im Internet eine Karte, wo alle Testzentren mit Öffnungszeiten zu finden sind. (Deutschland hat zwar mehrere solcher Karten, aber die sind so unvollständig, dass es ein ausgesprochen seltenes Phänomen darstellt, wenn zwei davon dasselbe Testzentrum anzeigen.) Dänemark ist halt super. Das beweist auch das folgende historische Ereignis:
Vor langer Zeit erließ der dänische König ein Gesetz, dass im ganzen Land in regelmäßigen Abständen ein Kro (Krug), also ein Gasthaus für Reisende, errichtet werden muss. Während dies auf der Insel Møn offenbar bis heute nicht umgesetzt wurde, sind auf dem Festland immer wieder Hotels zu sehen, die sich noch als Kro bezeichnen. Einer davon steht direkt am Aabenraa Fjord neben der Müllverbrennungsanlage.

Da ist dieser weiße Kro doch wesentlich schöner gelegen!
Weil die Zeit langsam knapp wurde, haben wir die Wegführung der Karte (die eh nicht am Meer langgeht) ignoriert und sind der großen Straße gen Süden gefolgt. Der Radweg war zwar nicht immer so super, aber zumindest kamen wir schnell voran. Am Wegesrand sahen wir einige Süßwasserseen und eine Eisenbahnstrecke ohne Schwellen. Jedes Mal, wenn wir in den Schatten der Bäume eintauchen konnten, atmeten wir erleichtert auf.

Kurz vor Kruså (Krusau) wurde der Radweg an der Hauptstraße wieder schöner. Den durften wir sogar doppelt fahren, weil wir einen Fahrradhelm auf dem Rastplatz liegen ließen.

Über eine Straße und einen schmalen Bahnradweg gelangt man hier zwischen die unauffälligen Spießerhäuser von Padborg. Der Ort liegt schon ziemlich weitab der Ostsee, aber es ist halt die letzte Stadt Dänemarks, Grenzbahnhof und offizieller Start des dänischen Ostseeradwegs, deshalb erwähne ich ihn trotzdem kurz.
Bei so viel Ruhe würde man nicht vermuten, dass der Ort vor allem für Militärisches bekannt ist: Ein Nazi-Lager für dänische Widerstandskämpfer und die Schlacht von Bov, bei der die Dänen 1848 die Deutschen im Kampf um Schleswig zurückschlugen. So, das reicht dann aber auch zu Padborg.

In Kruså kamen wir also am Grenzübergang heraus. Seit 1920 verläuft die Grenze hier. Anfangs arbeiteten die dänischen Zöllner in einem Kro und die Deutschen in einer Bretterbruchbude, bevor beide Länder richtige Gebäude errichteten. Da drüben beginnt schon Deutschland. Aber wären wir hier schon rübergewechselt, dann wären wir auf einer Autobahn gelandet.

Wir sind doch Ostseeradler, und deshalb überqueren wir die Grenze an der Ostsee!
Das war aber gar nicht so leicht, denn immer wieder wären wir um Haaresbreite zu früh in Deutschland gelandet. Einmal wunderte ich mich, wieso direkt vor unserer Nase schon ein deutsches Fahrradschild aufragte. Dann begriff ich, dass die Viehsperre zu meinen Füßen, ein kleines unauffälliges Gitter, offenbar die Grenze darstellte.
Dahinter ist der Kruså alias die Krusau, ein deutsch-dänischer Bach, die Grenze. In einem Bett aus schwarzem Schlamm wälzt sie sich durch einen hellen Wald. Dieser Wald gehörte bis 2006 der Stadt Flensburg, die ihn aus Geldmangel an einen dänischen Privatmann verkaufte. Heute gehört er dem dänischen Naturfonds. Viele Arten gibt es in Dänemark ausschließlich in diesem Wald, weiter nördlich ist es schon zu kalt für sie. Einige Meter vom Bach entfernt holperten wir über Stock und Stein auf und ab. Dieser Weg heißt Gendarmenpfad, denn hier patrouillierten bis 1958 Gesetzeshüter auf der Suche nach Schmugglern. Sie lebten in einfachen Häusern direkt an ihrem Grenzabschnitt, den sie so gut wie ihren eigenen Garten kannten, weil es ja quasi ihr eigener Garten war. Angeblich war es für sie Ehrensache, ihre Waffe nicht zu ziehen, ein echter Gendarm verhaftete jeden Schmuggler einfach mit Autorität und Charme.
Die EU hat die Gendarmen überflüssig gemacht, doch das Coronavirus hat sie zurück auf ihren Pfad gebracht. Noch vor dem Wald saßen, halb im Gebüsch verborgen, zwei Gendarmen in einem dänischen Polizeiauto. Sie winkten uns freundlich durch. Vermutlich waren sie mehr an Reisenden interessiert, die in die andere Richtung unterwegs waren. Später versperrte uns ein seltsamer Zaun den Weg, den wir erst umständlich öffnen mussten. Er verlief nicht entlang der Grenze, also sollte er wahrscheinlich das Wild im Wald schützen.

Endlich kamen wir an der Ostsee heraus, genauer gesagt an der Flensburger Förde. Langsam hatten wir das Gefühl, der Gendarmenpfad nimmt gar kein Ende. Tatsächlich geht er noch weiter auf der anderen Ostsee-Route durch Dänemark. Wir wären am liebsten auch noch weiter durch Dänemark gefahren, so toll fanden wir das Land. Irgendwann fahren wir vielleicht auch mal die andere Variante. Aber jetzt hatten wir schon die längere Tour durch Deutschland geplant.

Und die begann jetzt gleich am Grenzübergang Schusterkate, dem kleinsten Grenzübergang Europas. Er besteht aus einer Holzbrücke über die Krusau, die einzige Brücke, die Deutschland und Dänemark verbindet (und weil sich die Dänen umentschieden haben, dass sie lieber einen Tunnel und keine Brücke nach Fehmarn bauen wollen, wird das auch so bleiben und das kleine Brücklein bekommt doch keine gigantische Konkurrenz). Am Geländer hing gerade eine kleine Ausstellung mit deutschen Karikaturen.
Die Schusterkate selbst ist ein rotes gemütliches Holzhäuschen mit Bootsanlegesteg. Sie steht auf der dänischen Seite, aber der darin lebende Schuster scheint deutsch zu sein. Privatgrundstück! Rasten verboten! schrie uns ein Schild entgegen, als wir gerade überlegten, ob wir nicht direkt an der Grenze eine Essenpause einlegen sollten.

Auf der anderen Seite ging der Schilderwald weiter: Schutt abladen verboten! Ein Schild, auf dem Deutschland stand, gab es nicht (nur einen steinernen Grenzpfosten mit einen D drauf). Wozu auch? Die Begrüßung war unmissverständlich.
Die deutsch-dänische Grenze verläuft ab hier auf dem Meer. Diese Stelle ist übrigens der westlichste Punkt der Ostsee und liegt damit quasi gegenüber von St. Petersburg.

Kupfermühle, das erste deutsche Örtchen, besteht komplett aus süßen Statuen und der besagten Kupfermühle in Kupferrot intensivdänischem Gelb. Sie nutzte die Kraft des Bachs, um aus Messing und Kupfer Rohre für die dänische Marine zusammenzuhämmern.

Kaum zu glauben: In ganz Dänemark haben wir nur einen einzigen Massenstrand gesehen (in Marielyst). In Deutschland dagegen kam schon nach wenigen Metern der Badestrand von Wassersleben. Ob man in dieser Hinsicht Deutschland oder Dänemark besser findet, ist wohl Ansichtssache. Breitere Sandstrände sind schön, auf dem Radweg immer wieder Badegästen auszuweichen, ist nicht schön.
Ich erinnere mich vage, dass ich als Kind mal hier war. Als man mir erklärte, dass da drüben schon Dänemark sei, fand ich es unglaublich cool, auf dem "letzten Spielplatz von Deutschland" zu spielen. Auch diesmal statten wir dem Spielplatz einen Besuch ab, aber nur, um auf der Bank Nudeln zu kochen. Grenzüberquerungen machen außergewöhnlich hungrig.

Privatgrundstück! Ein Bootsclub hinderte uns daran, dem Wasser weiter zu folgen. Wir irrten durch einen Park und durchquerten ein Industriegebiet.

Dann durften zurück ans Meer. Ein paar historische Segelschiffe liegen still in der Flensburger Förde.
Förde ist das deutsche Word für Fjord. Streng genommen ist das nicht richtig, wie ich auf dieser Tour gelernt habe: Ein Fjord entsteht durch Gletscher, die sich in Richtung Meer schieben, bei einer Förde wandern sie in Richtung Land. Aber diese Unterscheidung benutzen bloß Geographen. Die Leute, die die ganze Landschaft benannt haben, haben sich danach gerichtet, auf welcher Seite der Grenze das Wasser liegt. Die Flensburger Förde ist die Grenze, also hat sie zwei Namen: Die Dänen nennen sie Flensborg Fjord.

Die Förde wird immer schmaler und endet schließlich mit ein paar Holzbänken an der Hafenspitze. Die Ostsee hat sich richtig tief ins Stadtzentrum gegraben, und das nur, um ein paar Studenten den idealen Platz zu geben, sich mit Freunden auf eine Flasche Bier zu treffen. Oder?
Nein, ursprünglich diente diese Stelle als geschützter Naturhafen. Anfangs war die Hafenspitze sogar 500 Meter tiefer. Es war nicht so schlau von den Flensburgern, ihren Schutt da reinzukippen, denn irgendwann war das Wasser nicht mehr tief genug für die Schiffe und schließlich verschwand es ganz.
Wenn ein Schiff von hier aus nach Westen wollte, musste es einen komplizierten, teuren (wegen der Zölle) und gefährlichen (wegen der Sandbänke) Umweg durch die dänischen Sunde fahren und eventuell sinken. Dagegen war unsere Radtour durch die dänischen Sunde harmlos. Eine britische Eisenbahngesellschaft baute 1854 eine Bahnlinie quer durch Schleswig-Holstein, um die Dänen zu umgehen. Drei Jahre später schafften die Dänen den Sundzoll ab. Ein Zufall? Wohl kaum. Eine Weile teilten sich die Dänen und Briten die Einnahmen der Flensburger Schiffe, nach 13 Jahren wurde die altersschwache Bahn wieder abgebaut.

Parallel zur Förde verläuft die Fußgängerzone mit dem alten Rathaus. Das eine oder andere alte Gebäude ragt hier krumm und schief in die Straße hinein.

Flensburg liebt dich, wie du bist! verkündet ein Plakat. Das ist doch eine weitaus nettere Begrüßung. (Aber wenn du mich wirklich liebst, Flensburg, warum hast du mir dann diese entsetzliche öffentliche Toilette angetan? WARUM?)
Die Nähe zu Dänemark ist noch deutlich zu spüren - eine Buslinie fährt bis Kruså, viele Schilder sind zweisprachig, in der Fußgängerzone steht dänische Bibliothek und selbst am Bahnhof steht auf dem blauen Schild Flensburg Flensborg - nur für den Fall, dass die Dänen den Namen wegen des einen unterschiedlichen Buchstabens nicht verstehen sollten.
Jung und studentisch, hip und historisch - Flensburg scheint eine passende Stadt für unsereins zu sein. Dazu passt, dass in Flensburg schon immer viel Rum gehandelt und gemixt wurde - und dass unser Reiseführer zu Flensburg eine komplette Spalte nur über Beate Uhse schreibt, die hier den ersten Sexshop der Welt gegründet hat.
Über der Straße hängen Schuhe, die, vermute ich mal, auf ein politisches Anliegen aufmerksam machen sollen.

Und die Fahrräder sind bereits warm eingepackt, damit sie auch im Winter fahren können.

Jetzt durchqueren wir Schleswig-Holstein. Das Gute daran ist: In diesem Bundesland kenne ich mehrere herzensgute Menschen, die nach einem Anruf ohne zu Zögern bereit waren, uns kurzfristig eine überaus komfortable Übernachtung zu gewähren. Ohne sie wäre diese Tour längst nicht so schön geworden. Nur: Die wohnen nicht direkt am Meer. Um unsere lange Strecke nicht noch weiter zu verlängern, griffen wir auf öffentliche Verkehrsmittel zurück.
Am Bahnhof Flensburg Flensborg sind wir eine Station mit dem Zug gefahren und dann noch eine Weile in das Dorf geradelt, wo herzensguter Mensch Nr. 1 lebt, meine Tante. Sie begrüßte uns selbstverständlich mit: "Na, ihr Weltreisenden?" (Wenn sie den Spruch nicht gebracht hätte, wäre ich auch enttäuscht gewesen.) Den Rest des Abends verbrachten wir damit, fast alles aufzufuttern, was im Haus an Lebensmitteln vorrätig war. Grenzüberquerungen machen wirklich, wirklich hungrig.
Wir schliefen zwei Nächte in einem Wohnmobil namens Klaus-Peter, das sogar wasserdicht war - wenn auch nur, weil eine Plane darauf lag. Nach unserem Zelt war es trotzdem der reinste Luxus. Einen Ruhetag verbrachten wir damit, Wäsche zu waschen, noch mehr zu essen und auf der Terrasse die Sonne zu genießen. Außerdem ließ ich mich im Dorffreibad, wo wirklich jeder jeden kannte, anstarren. Ich war vermutlich der erste auswärtige Besucher seit mindestens 140 Jahren.

Die andere Route durch Dänemark (gefahren 2024) finden Sie hier.
Die große Ostseereise von 2021 geht hier weiter durch Deutschland.

Donnerstag, 29. Juli 2021

Von Skamling nach Genner

Heute morgen suchte ich ein Messer und warf hektisch Sachen aus der Tasche. Zielsicher traf ich mit einem Glas Schokoaufstrich die Olivenölflasche. Sie zerbrach. Da brauchen wir wohl neues.

In zwei Tagen müssen wir in Deutschland sein, schließlich habe ich unsere Ankunft schon angekündigt. Und morgens erstmal einen 113 Meter hohen Berg runterzusausen, ist sehr motivierend. Das Wetter ist auch prima, auf geht's!

Erste Station des Tages ist die kleinere Stadt Christiansfeld. Sie ist bekannt für ihre Honigkuchen, die schon seit dem 19. Jahrhundert... egal, sie hatten mich schon beim Wort Honigkuchen. Wir haben uns im erstbesten Café ein Stück gegönnt und es war wirklich sehr lecker. Bei dem Versuch, einen Honigkuchen mitzunehmen, verwandelte sich dieser innerhalb kürzester Zeit in Honigmatsch (schmeckt auch).

Selbst die gelblichen Häuser der Stadt sehen ein bisschen wie Honigkuchen aus.

Christiansfeld wurde von ein paar Mönchen aus der Lausitz gegründet, die von Dänemark alle möglichen Vorrechte erhielten. Sie entwarfen eine Stadt mit symmetrischen Straßen und einer eigenartigen Kirche.
Sie ist total breit, niedrig, leer und weiß und hat einen Predigttisch anstelle einer Kanzel, aber das ist noch nicht das Seltsamste. Auf dem Holzboden ist Strandsand von der Ostsee verstreut, um die Verbundenheit mit der Region zu betonen oder so. Und ganz hinten hat eine Künstlerin aus Texas Donald Trumps Mauer aus Plastiktüten nachgebaut. So viel verrät das beiliegende Informationsmaterial. Was wir dem Heft nicht entnehmen konnten, war, warum die Mauer ausgerechnet in Christiansfeld hängt. Wir vermuten, dass die Künstlerin von hier stammt, denn Dörte ist ja nicht gerade ein typisch texanischer Name. Auch sonst ist der Standort gar nicht so unpassend, immerhin sind wir nicht mehr weit von der deutschen Grenze, die Dänemark während der Flüchtlingswelle 2015 relativ früh geschlossen hat.

Heute sind wir der offiziellen Route mit all ihren Schlenkern gefolgt. Der flache Feldweg durchquerte gleich die nächste Sehenswürdigkeit: Bulladen ist das älteste Blockhaus Dänemarks. Es besteht komplett aus senkrechten Holzbalken, stammt aus dem 17. Jahrhundert und sieht nicht aus, als wäre es seitdem renoviert worden.
Hm, wahrscheinlich ist doch nur der rechte Teil das Blockhaus, das hübsche Tor besteht ja nicht nur aus Holz.

Ein klares Zeichen, dass wir uns Deutschland nähern: Die Heuballen sind wieder rund!

Das ist doch mal ein toller Garten!

Jetzt mussten wir noch eine Runde durch die Großstadt Haderslev (Hadersleben) drehen. Ja, wir mussten: Ein Rundgang durch die Altstadt ist ein Muss, schreibt der Reiseführer, also blieb uns gar nichts anderes übrig. Da soll man sich wie im Mittelalter fühlen.
Nun ja, Haderslev ist ganz nett, aber wir haben schon schönere und mittelalterlichere dänische Städte gesehen. Wir unternahmen einen Streifzug durch eine dänische Buchhandlung und stellten fest, welche Bücher wir auf Dänisch wiedererkennen und welche nicht. Weiter hinten im Landen entdeckten wir schöne Puzzles dänischer Sehenswürdigkeiten, die wir zum Teil schon live gesehen hatten. Die waren zu sperrig für unsere Taschen (also die Puzzles, die Sehenswürdigkeiten allerdings auch), daher mussten wir uns darauf beschränken, die Motive zu bewundern.

Die Kirche sieht wieder mal so aus, als stünde sie in Rostock. Dass man für den Klingelbeutel auch Mobilepay nutzen kann, ist jedoch überaus dänisch.

Die historischen Fachwerkhäuser konnten wir wie in Kolding an einer Hand abzählen. Sie stehen in der Nähe des Fjords. Wobei, das Wasser ist so schmal, das ist schon kein Fjord mehr, sondern ein Fluss oder See oder was auch immer... Haderslev Dam wird das grüne Gewässer offiziell genannt, es handelt sich um ein Naturschutzgebiet. Viele Weiden beugen sich über das Wasser, als wollten sie trinken.

Im Inneren eines Auto-Kreisverkehrs verbirgt sich ein Fahrrad-Kreisverkehr, der uns aus Haderslev verabschiedete. Aber damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Nicht überall ist der Straßenverkehr in dieser Stadt so entspannt.

Später gelangten wir endlich mal wieder ans Meer - und zwar an eine richtige offene Bucht, keinen städtischen Fjord. Das mussten wir ausnutzen, heute könnte schließlich der letzte Tag mit Badewetter sein. (Spoiler: War er nicht.)
Das Baden war gar nicht so einfach. Der Meeresboden war voll von spitzen Steinen. Die Alternative bestand aus einem sehr schmalen, rostigen und halb zerfallenen Steg. Betreten auf eigene Gefahr, warnte ein Schild, das wir gerade noch so noch entziffern konnten. Damit war es intakter als der Steg.
In Vilstrup Strand ist eine Bikinifigur mit wenig Körpergewicht tatsächlich hilfreich - nicht wegen irgendwelcher Schönheitsideale, sondern um diesen Steg nicht endgültig zu zerstören. Wir brauchten gefühlte zwei Stunden, um den Steg ganz langsam und vorsichtig zu überqueren, dann schwammen wir ein paar Runden im tieferen Wasser und schritten wiederum zwei Stunden lang auf dem Steg zurück. Die ganze Zeit saßen vier Omas am Strand und tratschen auf Dänisch über Gott und die Welt und höchstwahrscheinlich auch über uns.

Die heutige Strecke hat uns zwischendurch ein paar flache Kilometer geschenkt, der letzte Abschnitt wurde wieder anstrengender.

Eine Bucht weiter liegt die Mini-Insel Kalvø. Sie ist über eine Brücke mit dem Festland verbunden und erfreut sich bei Seglern großer Beliebtheit.

Deswegen habe ich Toiletten, Wasser und sogar Duschen entdeckt. Die sind vor allem für die Segler gedacht, aber ich glaube, Radfahrer dürfen sie auch benutzen - warum sonst sollte der Naturlagerplatz auf dem Festland auf sie hinweisen?
Mit dem nachdenklichen Slogan Kein Mensch ist eine Insel wird für die Kalvø-Hochschultage geworben. Der weiße Gebäudekomplex der Insel beinhaltet außerdem ein Gasthaus und ein kleines Schiffsmuseum. Der Rest ist Naturschutzgebiet. Kaum zu glauben, aber wahr: Auf dieser winzigen Insel stand mal eine bedeutende Werft mit über 100 Angestellten.
Dieses hölzerne Gerät nennt sich Capstan und wurde damals zusammen mit Flaschenzügen benutzt, um Schiffe im Wasser zur Seite zu ziehen und den Rumpf zu reparieren.

Einen Kilometer und einen lästigen Hügel entfernt liegt ein bezaubernder Naturlagerplatz zwischen Wald und Kuhweide. Auch unsere letzte Nacht in Dänemark verbrachten wir wieder neben Kühen, die abends vorbeitrotteten - diesmal aber hinter einem Zaun. Aus einem bestimmten Blickwinkel (den ich auf diesem Foto nicht eingenommen habe) ist auch die Ostsee gut zu sehen, also ganz klar wieder mal ein Übernachtungsplatz der Kategorie Wahnsinn, dass wir vor dieser Aussicht einfach so schlafen dürfen!
Nun ist es Zeit fürs Abendessen. Als erstes brauchen wir Olivenöl und... verdammt. Ich hatte den Vorfall von heute früh vergessen. Hätten wir doch nur in Haderslev welches gekauft.
Zum Glück zeltete noch ein freundlicher Radfahrer aus Hamburg auf dem Platz, der ein paar Tropfen Öl abgab. Er war so clever und verwahrte es gut getarnt in einer kleinen Plastikflasche, sodass es wie Fahrradöl aussah. Wir fragten lieber nochmal nach, ob er auch wirklich richtig verstanden hatte, von welchem Öl wir da sprachen.
Spät abends, als wir uns gerade ins Zelt legen wollten, leuchteten Leute durch die Dunkelheit. Es waren zwei junge Zimmermänner, die sich einfach auf ihre Matten unter den freien Himmel legten. Sie hatten gerade sechs Wochen in Flensburg gearbeitet und setzten nun ihre Walz fort, also ihre dreijährige Wanderschaft, bei der sie auf keinen Fall nach Hause dürfen. Die beiden nahmen die alten Bräuche offenbar sehr ernst, sie trugen weiße Klamotten, geschnitzte Stäbe und ein Bündel auf dem Rücken. Wahrscheinlich sahen die Walzwanderer vor 300 Jahren wirklich nicht anders aus.