NEU: Die andere Strecke durch Dänemark - mit opportunistischer Mikro-Insel

Alsternative: Von Flensburg nach Svendborg

Sonntag, 1. August 2021

Alsternative: Von Flensburg nach Svendborg

Nachtrag: Die andere Route durch Dänemark 2024

Der nationale dänische Ostsee-Radweg Dänemark (nicht der europäische Ostseeradweg EuroVelo 13) trägt die Nummer 8. Und nicht nur das, er ist auch geformt wie eine liegende , auch bekannt als Unendlichzeichen.

Drei Jahre nach der großen Dänemarktour bin ich zusätzlich die andere Seite der  gefahren, was zum Glück nicht unendlich viele Jahre gedauert hat. Dazu startet man erstmal wieder in Flensburg oder Padborg. An der Grenzbrücke bog ich auf den nächsten Abschnitt des Gendarmenpfads ein, der am Meer verläuft.

Der Reiseführer warnt: Das sei total eng, steil und unwegsam, mit schwerem Gepäck müsse man schieben oder das Stück besser gleich an der Straße umfahren. Hö, welchen Weg sind die denn bitte gefahren? Was ich gesehen habe, war ein normaler Waldweg mit ein bis zwei steilen Stücken (rechts im Bild). Anders sieht es vielleicht aus, wenn man durchgehend dem Wanderweg direkt am Meer folgt (links), aber das ist auch nicht die markierte Radroute.


Als nächstes folgt eine Straße mit großzügigen Seitenstreifen direkt an der Flensburger Förde.
Brumm!
Und dort ereignete sich gleich die erste Kuriosität.
Brumm!
Ein winziges Motofahrzeug, quasi nur eine Kiste mit drei Rädern, raste knapp an mir vorbei.
Brumm!
Die nächste Kiste.
Brumm!
Ich war viel zu verblüfft, um ein Foto zu machen.
Brumm!
Brumm!
Diesmal war es eine riesige Kolonne, bedeckt mit bunten Werbeaufdrucken, und wahrscheinlich Teil irgendeiner Veranstaltung, das Kollunder Knatterkistenrennen 2024 oder wat weiß ich.

Die Fördenküste ist auf dieser Seite wirklich total verfördet in verschiedene Haffs, Buchten und Halbinseln. Bei Egernsund überquerte ich das Haff Nybøl Nor und folgte kurz den Segelbooten an seinem Ufer.

Und auch in Dybbøl verließ ich die Straße nochmal, um eine Schleife mit schöner Aussicht am Wasser einzulegen. Die Stelle zum Abbiegen war unmissverständlich markiert: Eine Mühle, eine Flagge, ein bunkermäßiges Geschichtsmuseum und eine Kanone. Wer hat hier wohl wieder gekämpft?
Dänen gegen Deutsche natürlich. 1864 verloren die Dänen die Schlacht, die Deutschen zogen die Grenze weiter nördlich und benannten den Ort in Düppel um. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es einen Volksentscheid. Die Bewohner fanden, Düppel sei ein dämlicher Name, und wollten lieber nach Dänemark zurück.
Aber 1864 passierte hier etwas viel Wichtigeres als die x-te Grenzverschiebung: Das Rote Kreuz, das ein Jahr vorher gegründet worden war, hatte seinen allerersten Einsatz. (In Dänemark, kein Wunder, die dänische Flagge ist ja auch eine Art rotes Kreuz.) Kapitän van de Velde auf dänischer und Dr. Appia auf deutscher Seite kümmerten sich neutral um alle Verwundeten und legten damit den Grundstein für die Genfer Konvention.

Ab und zu hat die verfjordete Küste auch kleine weiße Steilküsten, die man sogar von der deutschen Seite der Flensburger Förde aus sehen kann, aber die Radfahrer kriegen sie in beiden Staaten nur aus der Ferne zu Gesicht.

Als ich am Als Sund entlangfuhr, entdeckte ich bald die Brücke zur

Insel Nr. 13: Als

Als ich Als sah, fiel mir auch direkt die Inselhauptstadt Sønderborg ins Auge - links der Brücke die modernen Hochhäuser und rechts der Brücke die Altstadt. Und als sich mir dieser Anblick bot, wurde mir klar, wie groß die Stadt ist - hauptsächlich ihretwegen ist die Insel Als wahrscheinlich mit Bahn und mehreren Brücken ans Festland angeschlossen.

Als dieses Haus gebaut wurde, waren offensichtlich weder das Lineal noch die Wasserwaage erfunden.

Als ich die schlichte Kirche sah, fiel es mir wieder ein - hier kann ich Wasser nachfüllen! Oder? Von wegen. Als ich die gesamte Kirche innen und außen umrundet hatte, war ich noch immer auf keinen einzigen Sanitärraum gestoßen.

Als ich in die Innenstadt hineinfuhr, fand ich mich auf einer Kreuzung mit vier Einkaufsstraßen wieder. Immerhin zwei davon waren auch tagsüber für Radfahrer erlaubt.

Als Dänemarks Könige im 11. Jahrhundert beschlossen, dass sie auch eine schicke Residenz in der Nähe der Grenze bräuchten, wählten sie den südwestlichsten Zipfel der Insel Als für ihr Schloss. Eine ungewöhnliche Skulptur verrät, was sie so nah am Wasser vermutlich hauptsächlich aßen.

Als ich Sønderborg verließ, landete ich erstmal wieder auf einem herrlichen Waldweg über einer kleinen Wurzelklippe.

Als ich dann aber ins Innere von Als abbog, zeigte sich die Landschaft relativ einförmig, die Wege dagegen ganz unterschiedlich. Besonderes Lob verdient dieser Radweg hinter den Häusern von Kirke Hørup høndurch.

Als ich an der Westküste von Als ankam, hatte ich die komplette Flensburger Förde umrundet. Ich entschied mich, dem kleinen gewundenen Sträßchen in der Nähe der Ostsee zu folgen. Es ist zwar länger, aber schöner.

Als ich zur Hauptstraße zurückkehrte, beschloss diese, sich auch wieder Mühe zu geben, und kam mit einem Messgerät für die Geschwindigkeit von Flatulenzen,...

...einem Radweg und einem Großsteingrab an. Auf Als gibt es 247 solche Gräber, manche sind 5500 Jahre alt. (Da ging in Dänemark gerade die Landwirtschaft los.) Und wie alt ist dieses hier?
Nicht ganz so alt, nämlich... 4 Jahre. (Da ging in Dänemark und überall sonst gerade, naja, Sie wissen schon, was, los.) Die Menschen haben eins der alten Hügelgräber zur Deko nachgebaut, weil die echten zu versteckt sind.

Als ich schließlich die steile Straße zum Fährhafen Fynshav herunterrollte, stellte ich fest, dass ich noch fast eine Stunde Zeit hatte. Auf der glühenden Betonfläche wollte ich sie ungern verbringen, aber nur ein paar Meter weiter standen Rasttische im Grünen, und ein Pfad führte durch die Hecken zu einem idyllischen Blick auf kleine Wasserflächen und den Hafen der Segelboote. Zeit für's Mittagessen! Hoffentlich meckert niemand vom Hafenpersonal, wenn ich so nah am Hafen Feuer mache. Von der Hitze her machte es jedenfalls kaum einen Unterschied.
Von hier aus pendelt ständig die moderne Fähre Alslinjen nach Faaborg, die mit einem modernen Terminal in Anthrazitgrau und Fahrkartenautomaten präsent ist. Ich dagegen wollte auf die Loser-Fähre, die nur drei bis sieben Mal am Tag vom zweiten, unauffälligen Anleger abfährt und so überhaupt nicht präsent ist, Tickets gibt's erst beim Einsteigen. Aber ich konnte beim WLAN der Alslinjen schnorren gehen und mir schon mal ein Online-Ticket besorgen.
Die Ærø-Fähren haben zwei Eigenheiten: Erstens fallen sie total oft wegen technischer Probleme aus. Beim ersten Versuch letztes Jahr hat mir das diese Tour vereitelt. Diesmal checkte ich den Fahrplan alle paar Tage vor der Abreise. Ach, guck an, vor zwei Tagen sind schon wieder alle Fahrten ausgefallen.
Zweitens sind die Schiffe längs gedrittelt, sodass auf zwei Dritteln die Fahrzeuge stehen und ein Drittel aus den Räumen besteht.

Als ich also Als verließ, betrat ich dieses mittelmoderne Schiff. Es steuerte 55 Minuten lang ins Sydfynske Øhav (Südfünische Inselmeer) rein. In alle Richtungen ist irgendwo Land. Doch nach einer Weile rückte ein Stück Land besonders nahe, ein langer, ganz leicht geschwungener Haken. Das ist die Westspitze von

Insel Nr. 14: Ærø


Das Motto von Ærø lautet: Willkommen auf einer echten Insel! Inseln, die man per Brücke erreicht, sind aus Sicht der Error Ærøer keine richtigen Inseln (also alle anderen Inseln auf dem dänischen Ostseeradweg, außer Bornholm). Soll das etwa heißen, ich bin nicht auf Insel Nr. 14, sondern Insel Nr. 1?! Nein, die Definition der Ærøer ist nicht nur leicht arrogant, sondern auch geographisch inkorrekt: Menschliche Bauwerke wie Brücken, Dämme und Kanäle sind bei der Frage nach einer Insel grundsätzlich unbeachtlich.

Die Ærøfærjerne setzte mich in Søby ab, wo Küstenfrachter zusammengeschraubt und Fische an Land gezogen werden. Die Insel "blickt auf eine lange Seefahrtstradition zurück" - ist auch kein Wunder, wenn das die einzige Möglichkeit ist, hier wegzukommen.
Die graue Hafenstadt sieht aus, als sei sie von ein paar überhitzten Kunststudenten gestaltet worden. Kopflose Torsi schieben Einkaufswagen zum Supermarkt.

Und vor den Mietshäusern verkünden kryptische Banner schmerzhafte Botschaften.

Aber gleich hinter dem Ort wird es sehr schön! Der Strand besteht aus Kies, und die Steilküste ist nun braun, ein klares Zeichen, dass ich mich in eine andere geographische Zone bewegt habe. Ærø bildet die Südgrenze des Südfünischen Inselmeeres, wie ein schützender grünbrauner Arm legt sich die längliche Insel um die vielen winzigkleinen Inselchen.

Der Radweg folgt der Innenseite des Arms auf verschlungenen Dorfstraßen, eine Etage über der braunen Steilküste. Ich konnte sie von oben nicht erkennen, dafür aber die kleinen Inselchen am Horizont.
Die Insel der Ruhe wird sie auch genannt, und das passt wunderbar. Es ist so friedlich, und ich verstehe durchaus, warum die Dänen hier Urlaub machen.

Wenn der Weg doch mal direkt das Meer berührt, ist die braune Steilküste gerade zu einem braunen Streifen Algen zusammengeschrumpft.
Auf der Halbinsel im Hintergrund liegt schon die Inselhauptstadt.

Nach 17,6 Kilometern kam ich in Ærøskøbing an. Hier wird die Insel sogar noch richtig historisch und lecker. Mit dem Blick auf putzige Fachwerkgässchen verputzte ich ein lokales Inseleis. Møn und Ærø sind Dänemarks Eis-Inseln, und ich kann mich echt nicht entscheiden, wo es besser schmeckt.

Die 17,6 Kilometer über die Insel von Fähre zu Fähre sind entweder sehr entspannt oder sehr stressig, je nachdem, wie an dem Tag der Fahrplan aussieht. Ich hatte heute zum Glück die entspannte Version abbekommen.
Nach dem Eis machte ich mich also allmählich auf den Weg zum Anleger und stieg in die zweite Ærøfærjerne. Diesmal war sie voll bemalt und voll elektrisch. Das heißt, a) jemand hat die Fähre geröntgt und an die Seite in bunten Farben gepinselt, was sich so alles in den einzelnen Stockwerken verbirgt und b) es ist das leiseste Schiff, auf dem ich je war. 

Eine Stunde und 15 Minuten lang glitt es lautlos an den Mini-Inseln vorbei, auf die großen Inseln zu und schließlich unter der großen Betonbrücke hindurch.

(Noch einmal Insel Nr. 11: Fyn)

Damit wäre ich in Svendborg wieder am Knotenpunkt des Ostseeradwegs. 


Diesmal habe ich auch Drejø, eine der Mini-Inseln, besucht.

Und außerdem die Inselhauptstadt von Fyn, schließlich ist das nicht mal eine Dreiviertelstunde per Bahn. Odense ist wirklich eine Nummer prächtiger als Svendborg mit seinen Parks, Schlössern, und selbst die alten Fabriken in der Innenstadt wurden schick hergerichtet. Der berühmteste Sohn der Stadt ist Hans-Christian Andersen, ein Erzähler, so berühmt, dass sich Menschen jenseits des Atlantiks noch 150 Jahre später über Details in den Verfilmungen seiner Märchen und inwiefern sie im Original angelegt sind die Köpfe wunddiskutieren. Muss man auch erstmal schaffen. Gleich mehrere Museen und Häuser in Odense widmen sich ihm, darunter sein (natürlich gelbes) Geburtshaus.

Ich verbrachte eine Weile in Odense damit, in der Fußgängerzone Tic Tac Toe zu spielen. Und zwar gegen einen Roboterarm im Glaskasten, der in Odense entwickelt wurde. Gewonnen habe ich nicht. Aber sind die Bedingungen völlig fair, wenn er jedes Mal den ersten Zug machen darf und die Regeln abgeändert wurden - was aber nur der Roboter weiß?

Zwischen Flensburg und Svendborg sind sich die Quellen uneinig, welche Route der offizielle europäische Ostseeküstenradweg ist. Viele sagen, die kürzere Strecke über Aerø, die ich gerade gefahren bin, ist richtig, manchmal heißt es aber auch, es ginge über Kolding, so wie ich es 2021 gefahren bin (was ich logischer finde, wenn man möglichst viel selber radeln statt mit Fähren abkürzen will).

Ab jetzt jedenfalls sind sich alle einig: Der europäische Ostseeradweg verläuft im Süden über Langeland und Lolland. Also da, wo ich auch schon 2021 war. Alles, was jetzt noch kommt, ist also nur Teil des dänischen Ostseeradwegs mit der Nr. 8. und bringt es eigentlich nur, wenn man die gesamte Nr. 8 als Rundtour fährt.

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