NEU: Die schwedische Halbinsel der Zugvögel

Falsterbo

Samstag, 10. August 2019

Von Liselund nach Stubbekøbing

Eigentlich führen Ostseeradweg und Radfernweg Berlin-Kopenhagen auch noch rauf zum Geocenter auf den höchsten Kreidefelsen. Das geht natürlich nicht ohne schwere Steigungen, die schwersten auf der ganzen Strecke.
Wir sind da ja schon gestern hingewandert. Deshalb haben wir uns das Stück abgekürzt und auf die Hauptstraße in der Inselmitte gefahren. Irgendwann wollten wir dann aber doch zum Meer und bogen ab auf eine kleinere Straße, wo auch der Radfernweg wieder verlief. Dort ist die Südküste zumindest schon mal zu sehen.

Doch damit nicht genug: Im Süden Møns führt der Weg teilweise direkt am Meer entlang. Dafür mussten einen abenteuerlichen Pfad nehmen.

Im Kalten Krieg fischten die Fischer von Møns Südküste regelmäßig DDR-Flüchtlinge aus der Ostsee. Manche lebten noch, andere nicht. Manchmal versteckten sie auch DDR-Matrosen auf Landgang in den Hinterzimmern der Dänen, während ihre überaus schlecht gelaunten Chefs das Dorf nach ihnen absuchten. Dänische Fischer hatten also ihre ganz eigenen Gründe, froh über den Mauerfall zu sein.
Eine Grenze auf dem Meer ist keine Linie, sondern eher ein sehr breites Band der Gesetzlosigkeit. Auch in dänischen oder internationalen Gewässern konnten die Flüchtlinge nie wissen, ob sie der Freiheit, dem Gefängnis oder dem Tode geweiht waren - es kam ganz darauf an, welches Schiff oder welcher Sturm sie zuerst fand.

Nun fahren wir an der Hjelm Bugt entlang. Das namensgebende Hjelm ist nur ein winziges Dorf, wie eigentlich alle Orte entlang der restlichen 40 Kilometer auf Møn.
Als ich auf die Karte sah, dachte ich: Ah, da in Hovmarken sind viele Häuser, Badestellen, ein Strand und der Radweg direkt am Wasser - das ist bestimmt so ein Badeort mit Eis und kleinen Geschäften.
Von wegen. Na gut, ein schmaler Strand war da wirklich. Aber die Häuser waren einfach alle nur hölzerne Ferienhäuser. Tote Hose, so weit das Auge reicht.

Es dauerte noch einige Kilometer, bis wir einen Ort fanden, wo wir uns stärken konnten. Auf einem Biobauernhof wird das köstliche Møn Is (Eis) hergestellt. Es gibt die normalen Sorten, aber auch ein paar ungewöhnliche wie zum Beispiel Rumkugeln, und natürlich das in Skandinavien obligatorische Lakritzeis. Ich holte mir gleich drei Kugeln. Zumindest irgendjemand traut sich, hier etwas zu verkaufen - das muss ich doch unterstützen!

Ein anderer Hof hat sein eigenes Windrad.

Der Weg brachte uns ein Stück nach Norden, am Steger Haff entlang. Am anderen Ufer war wieder Stege zu sehen. Die Insel ist eben ziemlich schmal.

In einem Wald namens Fanefjord Skov sind noch einige Steigungen zu überwinden. Im Wald gibt es einen Waldpavillon, anscheinend eine Art Restaurant oder so. Dort fand aber irgendeine Feier statt - geschlossene Gesellschaft.

Dieses Hügelgrab stammt aus der Bronzezeit. Rundherum liegen kleinere Hügelgräber mit Asche, weil die Feuerbestattung im Laufe der Bronzezeit hip wurde. Ansonsten, so erklärt das Hinweisschild, wurden die Hügelgräber bislang nicht archäologisch untersucht. Vielleicht hatten die Archäologen Angst, auf der Insel verhungern.

Wir wollten uns wirklich gern in ein Restaurant oder Café setzen, doch es gab nichts. In einem Ort schien das Café gerade zu für immer zu schließen: Es wurde irgendwas umgeräumt, und als wir fragten, ob geöffnet sei, schüttelte die alte Frau nur traurig den Kopf. Im öden Hårbølle Havn hingegen verkündete das Schild am Café fröhlich: "Geschlossen. Folgen Sie uns auf Facebook und Instagram."
Ich dachte, Møn sei das Rügen Dänemarks, dabei ist der allergrößte Teil der Insel jenseits der Kreidefelsen überhaupt nicht auf Touristen eingestellt, toter als die Uckermark und doofer als Mělník. Die meisten Reisenden überspringen diese Insel wohl, anders kann ich mir das nicht erklären.

Am Ende der Insel umrundeten wir noch den Fanefjord.

An seinem Ufer steht die schneeweiße Fanefjord Kirke.

Als nächstes zwang uns der Weg auf eine lange, stark befahrene Hauptstraße. Einen Radweg gibt's leider nicht, sodass wir mal wieder einige LKWs näher kennenlernten, als uns lieb war. Doch ein Gutes hat diese Straße auf jeden Fall: Sie bringt uns runter von Møn. So fantastisch die Kreidefelsen gestern auch waren, mittlerweile konnten wir es doch nicht erwarten, diese Insel hinter uns zu lassen.
Die Straße führt auf einem Damm über das Meer. Nur ein winziger Teil ist tatsächlich als Brücke ausgeführt, damit das Wasser durch dieses Nadelöhr durchfließen kann.
Mitten auf dem Damm konnten wir fast alle Inseln dieser Tour (außer Peberholm und Amager) auf einmal sehen: hinten Møn, vorne Bogø, rechts Sjælland, links Falster und unter unseren Füßen Barholm. Auf ein Foto passen die aber nicht drauf - höchstens auf eins dieser Panoramafotos, aber so was kann meine Kamera nicht...

Die Straße überquert

Insel Nr. 5: Barholm

Das ist einfach nur ein flaches Stück vorgelagerte Wiese, die als Weideland genutzt wird. Dann folgt auch schon

Insel Nr. 6: Bogø

Diese Insel ist mit weiteren Weideflächen und Wäldern bedeckt. Die Hauptstadt und einzige Stadt klingt wie das Geräusch, wenn die Waschmaschine fertig ist: Bogø By. Diese Ortschaft setzt sich zusammen aus den Stadtteilen Gammelby und Nyby, und das war's auch schon mit der Gliederung der Insel.
In Bogø By kommt zwar nicht direkt urbanes Flair auf, doch zumindest gibt es hier eine Apotheke und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs. So etwas haben wir auf der letzten Insel entlang einer Strecke vermisst, die deutlich größer war als Bogø. Auf Møn denken wohl alle: Och, dann fahren wir halt mit dem Auto nach Stege. Auf Bogø hingegen haben sie den Ehrgeiz, alles selbst dazuhaben und nicht von der Nachbarinsel abhängig zu sein, obwohl die über eine Straße schnell zu erreichen ist (außer bei Sturmflut oder so).

Die Insel Bogø ist so klein, dass wir auf ihr nur ein einziges Mal abbiegen mussten. Rechts geht es in die Stadt, links zum Fähranleger. Da wollten wir hin. Während wir auf die Fähre warteten, stärkten wir uns endlich in einem geöffneten Café. Ja, so etwas Unglaubliches hat Bogø! Es gibt dort selbstgemachte Wildschweinpizza und das Møn Is.

Die kleine Fähre namens Ida überquert stündlich den Grønsund. Sie legt an auf der

Insel Nr. 7: Falser

Wir landen zwar nicht in der größten, dafür aber in der ältesten Stadt der Insel (vermuten die Historiker jedenfalls): Stubbekøbing hat ein paar Industriegebäude und irgendwie eine düstere Atmosphäre.

Am Ufer des Grønsunds liegen schöne Strände, Parks und Spielplätze. In der Ferne ragt aus dem Dunst der Grund, warum die Fähre Ida nicht mehr so wichtig ist und bloß zur Hauptsaison und in den dänischen Herbstferien fährt. Und warum es im Stubbekøbinger Hafen so ruhig ist.
Die Autobahnbrücke. Sie verbindet zwar nur Falser mit Seeland und berührt unterwegs die Insel Farø, aber dabei zweigt auch eine Autobahnausfahrt nach Bogø ab. Als kleine Insel muss man sich in Dänemark nur eng genug zwischen den wichtigen Inseln platzieren, dann wird man auch gut angebunden.
Für Radler ist die Autobahn natürlich taub: Falls die Fähre Ida nicht fährt, müssen sie Møn und Bogø komplett weglassen und mit einer anderen Brücke (hinter der Autobahn) direkt von Seeland nach Falster wechseln.

Nach dem Rinderwahn der letzten Nacht hatten wir das Bedürfnis nach einem richtigen Bett, zumal unsere Luftmatratze ein Leck hatte. Also machten wir uns in Stubbekøbing auf die Suche nach einigen nicht existierenden Bed and Breakfasts. Google und die Einwohner schickten uns eine gute Stunde lang kreuz und quer durch die Straßen, ohne dass wir ein Bett fanden. Eine alte Frau warb leidenschaftlich für die kostenlosen Shelter-Hütten am Strand, aber mit kaputter Luftmatratze auf dem Holzboden, direkt an den Hafenanlagen, war das wenig verlockend.

Doch auf eines konnten wir uns verlassen: Stubbekøbing hat einen Campingplatz. Jeder Ort in Dänemark hat einen Campingplatz, das ist ungeschriebenes Gesetz. Und auch für die Benennung eines Campingplatzes gelten strenge Regeln, der Name muss immer folgendermaßen lauten: [Hier Ortsname einfügen] Camping. Andere Namen sind unzulässig.
Der Zeltplatz in Stubbekøbing hatte auch eine Hütte frei, und so kamen wir noch zu richtigen Betten. Geht doch.

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