NEU: Die schwedische Halbinsel der Zugvögel

Falsterbo

Donnerstag, 26. August 2021

Von Assens nach Snoghøj

Dieser Tag war tierisch nervig und anstrengend. Ekliges Wetter, fieser Gegenwind und immer neue Hügel bremsten uns aus. Und trotzdem waren wir total froh. Weil es einfach nur ein stinknormaler Radtour-Tag war, ohne zerstörte Fahrräder und plötzliche Feuersbrünste.

Morgens hatte eine graue Wolkendecke den ganzen Himmel verschluckt. Naja, dachte ich, der Wind pustet die sicher bald weg, war ja die letzten Tage schon immer so. Und ich muss zugeben, der Wind gab sich alle Mühe. Er pustete und pustete, doch die Wolkenfront nahm einfach kein Ende. Eigentlich gab sich der Wind etwas zu viel Mühe, denn er pustete ausgerechnet von Norden. Und heute wollten wir zufälligerweise nach Norden. Die tief hängenden Wolken ließen ab und zu etwas Wasser fallen. Mich erreichten bereits besorgte Mitteilungen von der Familie: "Oh Gott, ihr Armen, ihr steckt da jetzt im Regen fest und seid bestimmt ganz nass!" Vermutlich war das Wetter in Deutschland schlimmer. Hier fiel nur feiner dänischer Niesel. Der ist zwar auf Dauer nicht gerade toll, aber wirklich durchnässen konnte er uns nicht.


Immerhin, die Wildblumen gedeihen bei diesem Wetter super im Garten Dänemarks, den wir heute verlassen werden.

Wir kämpften uns einen Hügel nach dem anderen hoch und runter. Unten erwartete uns meistens ein kleiner Å, also ein Fluss. Für richtig dicke Flüsse ist die Insel Fyn (oder eigentlich ganz Dänemark) nicht groß genug. Dementsprechend haben die kleinen Wasserläufe kaum individuelle Namen, sie heißen einfach [Hier Dorfnamen einfügen] Å. Einer wurde sogar nach einer Mühle benannt, die wiederum nach einem Dorf benannt wurde - Irgendwas Mølle Å, den genauen Namen habe ich vergessen und auf den Karten finde ich dieses kleine Bächlein nicht wieder.

Moment mal, was? Ein Skiverleih? So bergig ist es hier auch nicht. Das sind doch nicht die Alpen hier.

Obwohl: Bei Føns föhnte uns immerhin ein kräftiger Föhnwind die Haare.
Dort grenzt das Meer ans Moor, und an der Schnittstelle erstreckt sich eine wunderhübsche Wiese, auf der winzige weiße Blüten blühten. Wir betraten sie vorsichtig, natürlich nur auf den Trampelpfaden, und legten eine Mittagspause ein. Auch ein anstrengender Tag hat seine schönen Seiten.

Hinter dem nächsten Hügel erwartete uns

Insel Nr. 12: Svinø

Das bedeutet so viel wie Schweineinsel. Schweine sahen wir keine, nur ein paar Kühe grasten kurz vor der Insel.

Nach einem weiteren Hügel war die Insel auch schon vorbei und wir kehrten zurück nach Fyn. Wobei, das erweckt jetzt einen falschen Eindruck. Svinø hat schon mehr als eine Straße. Nämlich zwei. An der einzigen Abzweigung wies ein Schild darauf hin, dass sogar ein Campingplatz auf dieser Insel Platz gefunden hat.
Dort, wo die Straße zwischen den Inseln wechselt, ist die Ostsee (unter dem Namen Gamborg Fjord) so schmal wie ein Bach. Viele Radler bemerken wahrscheinlich nicht mal, dass sie auf einer anderen Insel waren.

Zum Schluss hatten wir keine Lust mehr auf endlose Zickzackstraßen, also folgten wir der Hauptstraße bis Middelfart.

Das neue dänische Fahrrad machte inzwischen ebenfalls leise Geräusche und meiner Freundin dadurch erhebliche Sorgen. Also ließen wir jemanden im Fri Bike Shop Middelfart einen Blick darauf werfen, der kein Problem entdeckte. Und er hatte tatsächlich Recht, mehr oder weniger. Eine Schraube hatte sich gelockert, wie wir später feststellten, aber damit wurden wir sogar selbst fertig.
Als nächstes wollten wir ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage einkaufen. Dazu sind wir zuerst konsequent an allen Supermärkten vorbeigefahren und dann umgekehrt. Auf diese Weise haben wir auch etwas von der Großstadt gesehen, in der alte und neue dänische Architektur aufeinanderprallen.

Am Hafen hatten wir volle Sicht auf die Stahlseile der Ny Lillebæltsbro (Neue Kleiner-Belt-Brücke). Diese Autobahn ist seit 1970 die wichtigste Verbindung zwischen dem Festland und den dänischen Inseln.

Davor mussten Autofahrer die Gamle Lillebæltsbro benutzen. Heute fahren da Radfahrer, Eisenbahnen und alle Autofahrer, die die neue Brücke immer noch nicht entdeckt haben. Die beiden Brücken haben also im Prinzip dieselbe Arbeitsteilung wie die Rügenbrücke und der Rügendamm, mit dem Unterschied, dass hier sogar noch weniger Autos auf der alten Strecke unterwegs sind.
Wir mussten jedenfalls zur alten Brücke, was gar nicht so leicht war. Wir folgten dem Kiesweg am Kleinen Belt entlang. (Der ist wirklich klein.) Irgendwann war die Brücke schon sehr nah, aber auch sehr viel höher als wir. Wie kommen wir da nur rechtzeitig hoch, bevor wir untendurch sind?

Kurz vor der Brücke tauchte eine steile Waldstraße auf. Das sanfte Rauschen des Brückenverkehrs kam immer näher.

Unter dieser Verkehrsachse entdeckten wir überraschend eine Herde Rehe. Direkt neben der Brücke befindet sich ein Wildtiergehege, das wir sogar betreten durften. Wir sind nur einen Meter weit reingegangen, um die Tiere nicht auf ihrem Abendspaziergang zu stören. Der eine Meter bewirkte schon, dass
a) wir sie wesentlich besser sehen konnten, weil kein Zaun im Weg war und
b) sie uns eine Minute lang furchtsam anstarren, um dann Tempo ihres Abendspaziergangs erheblich zu beschleunigen.

Die Gamle Lillebæltsbro ist eine ältere Eisenbahnbrücke aus Stahl und Beton. Durch die dicken Stahlstreben erreichten wir endlich wieder das

Festland

Das Inselhopping ist geschafft! Wir sind von Schweden bis zum mitteleuropäischen Festland geradelt, das ist doch schon mal ein Teilerfolg. So richtig feierlich war der Moment allerdings nicht. Die Wolken berieselten uns immer noch, und wir wollten einfach nur schleunigst unser Ziel erreichen. Von oben erspähten wir eine große Wiese mit einem Zelt. "Ist das unser Platz?", fragte meine Freundin. Hm, könnte ungefähr hinkommen, dachte ich.
Wir mussten noch eine große Schleife rund um die Brücke drehen: Zuerst weg von der Straße und dann wieder zurück und unten durch. Ach so, schade, die Wiese gehört doch nur zu irgendeiner Veranstaltung.

Langsam setzte bereits die Dämmerung ein. Deshalb waren wir ziemlich erleichtert, als wir am Straßenrand endlich auf einem kleinen Pfosten das vertraute grüne Symbol mit einem Zelt entdeckten, das uns den Weg zum Naturlagerplatz wies. Bis zum Ziel mussten wir noch einige Pfade auf und ab radeln, unter anderem über einen vibrierenden Schlauch. Er gehörte zu einer brummenden Maschine, die Wasser aus der Erde pumpte.

Dieser Naturlagerplatz war diesmal im Prinzip nur eine kleine Wiese, die wir für uns hatten (abgesehen von einer Familie, die kurz zum Beerensammeln vorbeischaute). Bei diesem Wetter hatte echt niemand Lust auf wildes Zelten, außerdem lag die Wiese wirklich total versteckt hinter Bäumen, Kuhweiden und einem See. Aber irgendwann müssen hier schon einmal Menschen gezeltet haben - der Müll in den Büschen hat sie verraten.
Am anderen Seeufer liegt eine Kunsthochschule, die den Lagerplatz für Reisende zur Verfügung stellt. Dort sollte es angeblich Wasser und Toiletten geben. Als wir abends noch etwas Wasser brauchten, war ich mir unschlüssig: Soll ich da jetzt wirklich noch hinradeln? Ob ich den Weg in der Dunkelheit überhaupt finde? Und selbst wenn, so eine Hochschule ist groß, und wer weiß, ob das mit dem Wasser überhaupt noch stimmt (diesbezüglich hatten wir ja schon ein paar Enttäuschungen erlebt)?
Ich machte es dann einfach trotzdem und, was soll ich sagen, ich fand auf Anhieb den Weg um den See und die betreffende Tür. Diesmal musste ich die Trinkflaschen nicht mal in ein viel zu kleines Waschbecken stopfen, auch ein Schlauch stand mir zur Verfügung. Und auf dem Weg hatte ich einen wunderbaren Blick auf die beleuchtete Brücke. Danke, liebe Kunsthochschule!

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