NEU: Die schwedische Halbinsel der Zugvögel

Falsterbo

Mittwoch, 8. September 2021

Fehmarn

Rückblick: Fehmarn-Radtour 2018

Deutschlands zweitgrößte Ostseeinsel heißt Fehmarn (auch bekannt als Die SonneninselKohlkoppisland oder Der sechste Kontinent). Wer dahin will, überquert die Meerenge Fehmarnsund auf der Fehmarnsundbrücke (auch bekannt als Kleiderbügel). Zum ersten Mal wurde die Brücke im Januar 1963 benutzt, als sie noch eine Baustelle war. Wegen des strengen Winters konnte keine Fähre fahren und die Inselbewohner mussten dringend versorgt werden, sodass ein paar Leute mit Sondergenehmigung und auf eigene Gefahr über die Konstruktion kraxeln durften. Damals waren Sprengschächte an der Brücke installiert, falls die Russen auf Fehmarn landen sollten.


Heute ist die Brückennutzung nicht mehr ganz so gefährlich - jedenfalls mit dem Auto oder der Regionalbahn. Autofahrer landen direkt auf der einzigen stark befahrenen Straße Fehmarns. Die meisten sind sie an der Insel, die da unter ihren Reifen durchsaust, eh nicht interessiert - sie streben nur auf die Fähre nach Dänemark.
Mit dem Rad hingegen verspricht die Brücke immer noch Nervenkitzel: Der Fuß- und Radweg ist sehr schmal, der Blick reicht tief nach unten, bei jedem vorbeifahrenden LKW erbebt der Boden und das Geländer erschien mir auch nicht sonderlich hoch, als ich erhöht auf einem Fahrrad saß. Auf dem Foto sieht die Brücke irgendwie harmloser aus, als sie ist.
In Zukunft soll links neben der Brücke ein kurzer Autobahntunnel unter dem Meer verlaufen, sobald der längere Tunnel nach Dänemark fertig ist.

Eine Runde um die Insel ist etwa 80 Kilometer lang, das macht für eine langsamere Familie zwei Fahrtage.
Östlich von der Brücke liegt Burg, die größte Ortschaft der Insel. Burg besteht aus norddeutschen Backsteinhäuschen, aber leider auch aus zu vielen Autos und zu viel Regen. Jedenfalls als ich mir die Stadt ansehen wollte.

Eine Burg haben wir dort nicht entdeckt, dafür aber die St.-Nikolai-Kirche.

Burg liegt nicht direkt am Wasser, sondern etwas weiter landeinwärts. An der Ostsee hat Burg zwei bemerkenswert hässliche Vororte, beide durch Radwege gut angebunden.
Zum einen wäre da Burgstaaken. Zwischen den Hafenanlagen versteckt sich ein ganzes Arsenal an modernen Museen. In Burg und Burgstaaken findet man ein Aquarium mit Haifischbecken, ein U-BurgBoot-Museum in einem echten U-Boot, ein naturwissenschaftliches Experimenta-Museum, ein Planet-Erde-Museum... ein ähnliches Angebot gibt es an vielen Tourismusstätten an der Ostsee und irgendwann kommt einem die Liste sehr bekannt vor. Aber für Familien, die das noch nicht kennen, gibt es sicher einiges zu erleben.

Durch den Ort Neue Tiefe gelangten wir auf die eigentlich sehr schöne Halbinsel Südstrand und nach Burgtiefe. (Wie die Ortsnamen subtil andeuten, ist die Gegend nicht sehr hoch gelegen.) Dort befindet sich auch endlich die namensgebende Burgruine Glambeck in Form eines grasbewachsenen Steinhaufens.
Überall auf Fehmarn stehen große, gewellte Holzbänke mit Blick aufs Wasser.
Während der Fahrt nach Burgtiefe schälen sich dicke, hohe Bauklötze aus dem Nebel. Zuerst habe ich sie für Türme eines Kraftwerks gehalten, doch das war ein Irrtum.

Es handelt sich einfach nur um ein paar sehr scheußliche Hotels. An denen klebt die Vitamar Erlebniswelt, das ist ein Glasdach mit Geschäften und Restaurants drunter, wo man sein Geld ausgeben kann.
Zum Baden im Meer war es noch zu kalt, also wichen wir ins Fehmare aus, eine Schwimmhalle mit großer Wellenmaschine und Sauna auf dem Dach.

Zum Glück konnten wir den Hotels den Rücken kehren und durch die schönen Dünen radeln. Der Südstrand ist ein klassischer Ostseestrand, mit Strandaufgängen, Buhnen und einem Eintrittspreis in Form der Kurtaxe.
Unser Radführer behauptet, es gebe hier überhaupt keinen Radweg am Meer und man müsse auf Straßen weiter landeinwärts fahren. Die Wegweiser wissen es jedoch besser.
 
Nach einigen Kilometern sagen jedoch auch die Wegweiser, man soll weg vom Wasser und auf kleinen Straßen durch irgendwelche Ortschaften ausweichen. An der Steilküste führt nur noch ein Trampelpfad entlang, der eifrig von diversen Mountainbikern genutzt wurde.
Ein Verbotsschild gibt es nicht, trotzdem erschließt sich schon bald, warum man dort lieber nicht entlangfahren sollte: Die trockene, rissige Linie ohne Gras ist für die Steilküste eine ideale Sollbruchstelle, und an einigen Stellen ist sie dort auch schon durchgebrochen.
Wir haben es also mit dem klassischen Dilemma des Tourismus zu tun: Man will eine tolle Landschaft bewundern, aber genau dadurch zerstört man sie.
An allen vier Ecken von Fehmarn steht ein Leuchtturm. An der südöstlichen Ecke ist das der Leuchtturm Staberhuk. Das ist der älteste Turm der Insel. Er hat eine Laterne von der Insel Helgoland, gelbe Backsteine auf der einen und rote auf der anderen Seite, weil die gelben den Meereswind nicht so gut verkraftet haben. Das weiß ich aber alles nicht aus erster Hand, weil der Turm in einem großräumig eingezäunten Privatgrundstück steht.

Hier befindet sich auch ein Armeestützpunkt, sicher auch eine Folge des Kalten Krieges.
Die Soldaten fahren mit seltsamen Booten auf dem Meer, manche stehen auch am Ufer und angeln.

Zum Glück wurde ich bald aus dem Tourismus-Dilemma erlöst, denn irgendwann kommt ein legaler und ausgeschilderter Kiesweg. Nun ist die Steilküste bewaldet und es gibt ein paar Steigungen. In der Nähe liegt nämlich der Hinrichsberg, der mit 30 Metern höchste Punkt Fehmarns.

Alle paar Kilometer stießen wir auf einen Parkplatz, einen Campingplatz und einen Strandzugang.

Und schon nähern wir uns der nordöstlichen Ecke Fehmarns, die man nachts am Leuchtturm von Marienleuchte identifizieren kann.
Auf dem Deich grasen Schafe. Der Radweg ist nun mal wieder asphaltiert, dafür allerdings ziemlich... schräg.

Die große Kraftfahrstraße unterqueren die Radfahrer mithilfe eines Tunnels. Daneben wird der weitaus längere Tunnel nach Dänemark aus dem Wasser auftauchen. Aber das dauert noch.

In Puttgarden führt diese Straße schließlich zum Fährhafen, wo man innerhalb von 45 Minuten ins dänische Rødby pendeln kann. Oder man kauft sich einfach nur ein Fischbrötchen und erkundet weiter die deutsche Insel.
Am rauen, steinigen Strand sind viele Motorboote unterwegs.

Während an den Steilküsten im Osten ständig Material abgetragen wird, wird an der Westküste welches angeschwemmt. Als die Menschen hier Dünen zum Küstenschutz errichteten, spülte die Ostsee dahinter weitläufige Inseln und Halbinseln aus Sand herbei. Hier hatte der menschliche Einfluss zur Abwechslung mal eine positive Auswirkung auf die Natur und Artenvielfalt. Es entstand das Naturschutzgebiet Grüner Brink.
Zunächst stießen wir auf den neueren angeschwemmten Sand, der noch nicht so grün aussieht. Er erinnert eher an die Ostsee-Version eines Wattenmeeres.

Nach und nach jedoch werden die angeschwemmten Sandbänke immer grüner und wir radelten schließlich durch einen Wald.
In der Nähe verunglückte 1932 durch ein Gewitter das Schulschiff Niobe, auf dem Seeleute für die Marine ausgebildet wurden. Dabei starben 69 Menschen. Daran erinnert ein 1933 errichtetes Denkmal, das aus dem Mast des Schiffs besteht, denn der wurde hinterher aus dem Wasser gefischt.
Da es hier außer dem Denkmal offenbar nicht so viel gibt, haben sich alle Einrichtungen in der Nähe danach benannt, etwa der Campingplatz am Niobe.

Fehmarn ist eine richtige Nebelinsel. Morgens gibt es am meisten Nebel, aber auch tagsüber verschwimmt am Horizont alles zu einem diffusen weißen Dunst. Gleichzeitig soll es sich um einen der sonnenreichsten Orte Deutschlands handeln. Das widerspricht sich nicht, die Sonne scheint oft richtig schön durch den Nebel.
Ich kann mir nicht direkt vorstellen, auf Fehmarn einen klassischen Badeurlaub zu verbringen, bei dem man eine Woche lang bei Hitze am Strand liegt. Wer aber mal eine richtig mystische Insel besuchen will oder das Gefühl haben möchte, er befinde sich am Rand der Welt oder auf der einzigen Insel eines Planeten, der ansonsten von Wasser bedeckt ist, der ist hier genau richtig. Und das meine ich jetzt nicht abwertend.


Die nordwestliche Ecke der Insel wird vom Leuchtturm Westmarkelsdorf markiert.
Hier fuhren wir auf den Dünen und mussten häufig Gatter öffnen. Offenbar grasen hier manchmal Tiere. Der Weg besteht manchmal aus einem weißen Pfad, teilweise aber auch einfach nur aus Gras. Später kommt als Alternative ein asphaltierter Weg hinter dem Deich hinzu.

Am Naturschutzgebiet Wallnau war es dann Zeit, sich vom Wasser zu entfernen und über Straßen und Radwege unseren Übernachtungsort namens Petersdorf anzusteuern.

Als echtes Fehmarn-Dorf hüllt sich Petersdorf in einen Schleier aus Nebel. Hier sehen sie das Dorf im Direktvergleich sittsam verhüllt und mit angehobenem Schleier.
Man erkennt es aus der Ferne an der höchsten Kirche der Insel und am... äh, Leuchtturm? Oder ist das eine Sternwarte? Nö, bloß ein landwirtschaftliches Silo.

Dort haben wir uns in einem Restaurant namens Kartoffelscheune den Bauch vollgeschlagen. Dort wird unter anderem Kartoffelpizza und Kartoffelschnaps angeboten. Ich kann guten Gewissens sagen, dass die Kartoffellasagne eine der leckersten Sachen ist, die ich je gegessen habe.

Am nächsten Morgen gab es dann nur noch ein Viertel von Fehmarn, das wir noch nicht umfahren hatten. An der südwestlichen Ecke steht, Überraschung, wieder ein Leuchtturm. Dieser rote, ranke, schlanke Turm heißt Leuchtturm Flügge und wagt sich tatsächlich höher in den Himmel hinaus als seine drei Kollegen, auch wenn er keine Flügel hat.

Das wäre bei einem Leuchtturm auch ähnlich sinnvoll wie dieses alleinstehende grüne Gatter.
Nun fuhren wir also wieder auf dem Deichrasen. An sich nicht so schlimm, nur leider machten uns Gegenwind und mehrere längere Regengüsse das Leben schwer. So war die Strecke am zweiten Tag zwar deutlich kürzer, aber trotzdem viel anstrengender.

So sieht es landeinwärts aus: Schilfbewachsene Binnenseen, Ferienhäuser und Landwirtschaft, Windkraftwerke.

Der nächste Ort heißt, ähm, Orth und besteht aus hohen Backsteinhäusern und einem Hafen. Irgendwie sieht das aus wie Hamburg als Dorf. Dieser Eindruck täuscht nicht, es handelt sich tatsächlich um historische Speicher für Handelswaren, fast wie in Hamburgs Speicherstadt. Dort waren viele Windsurfer unterwegs, die sich über den Wind sicher mehr gefreut haben als wir.

Um dem Gegenwind zu entgehen, wichen wir auf Landstraßen abseits der Küste aus. Aber so richtig Spaß machte das da auch nicht, durchnässt von Autos überholt zu werden. Naja, irgendwie haben wir es trotzdem wieder bis zur Fehmarnsundbrücke und nach Burg geschafft.

Auch wenn wir durch viele Ortschaften mit eigenen Namen gefahren sind - offiziell zählen alle Orte zählen zusammen als eine einzige Stadt namens Fehmarn. Nicht einmal Burg ist eine selbstständige Stadt.
Vielen Ortseingangsschilder wurden die Buchstaben gestohlen oder vom Regen weggespült, zum Beispiel in S ru km, ähm, Strukkamp.
Das blaue X war auch öfter zu sehen. Es bedeutet, dass die Anwohner gegen den Fehmarnbelttunnel nach Dänemark sind. Sie befürchten vermutlich, dass weniger Touristen kommen, wenn die Insel immer mehr zur Transitzone umgebaut wird. Das ist verständlich. Ich persönlich kann allerdings sagen: Dass einige Kilometer weiter in der Inselmitte eine dickere Autobahn verläuft und kurz vor dem Wasser im Boden verschwindet, wäre für mich definitiv kein Grund, diese außergewöhnliche Rundtour nicht zu machen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen