NEU: Die schwedische Halbinsel der Zugvögel

Falsterbo

Donnerstag, 16. September 2021

Von Markgrafenheide nach Dierhagen

Rückblick: ZDF-Radtour 2016

Die folgenden drei Abschnitte kennen wir von unser ersten gemeinsamen Radtour. Los ging es damals mit dem klassischen Familien-Baderadweg von Rostock zum Strand von Markgrafenheide.

Dort sieht die Ostsee so aus, wie ich und die viele andere Deutsche sie kennen: Ein mittelbreiter Sandstrand, auf dem sich Badegäste in Strandkörben, Zelten und Windschutzplanen taktisch positioniert haben. Die Einheimischen gehen lieber hier baden als im überfüllten Warnemünde. Was keinesfalls heißt, dass es hier nicht auch überfüllt sein kann.

Dies ist das Meer meiner Kindheit. Hinter dem Strand bildet der Sand einen kleinen Wall, auf dem ein bisschen Strandhafer wächst - eine Mecklenburger Düne, die im Vergleich zu den mächtigen Nordseedünen nicht ganz so beeindruckt. Damit der dürre Bewuchs nicht zertrampelt und der Sand nicht weggehweht wird, hat man einen dünnen Draht zum Schutz der Düne aufgespannt. Sollte der Strand zu voll sein, wird der hin und wieder auch mal ignoriert.

Die Dünen überquert man auf unbefestigten Wegen, die sich für den Nikolaus halten und als Geschenk zehn Tonnen Sand in jedem Schuh ablegen. Die einzige logische Konsequenz: Zieh deine Socken und Schuhe schon vor der Düne aus und lass deine Füße von trockenen Strohhalmen zerpieksen, die sich im Sand verbergen.
Diese Mecklenburger Strände gelten teilweise immer noch als typische Heimat der Freikörperkultur, die in der DDR weit verbreitet war. Viele sind auch immer noch als FKK-Strände ausgeschildert, andere als Textilstrände. In der Realität macht es überall jeder so, wie er will. Richtig nackig baden vor allem ältere Menschen.

In Richtung Wasser erfolgt der langsame Übergang von Sand zu Matsch. Damit die Wellen nicht so hoch sind, stehen im Wasser Buhnen, also dicke Holzpflöcke, die von Algen und scharfkantigen Muscheln besiedelt und vom Meerwasser unten immer mehr zerfressen werden. Auf diesen Dingern darf man theoretisch nicht balancieren, aber praktisch hat das doch jeder, der an der Ostsee aufgewachsen ist, mal gemacht. Besonders knifflig wird es, wenn einige Buhnen abgebrochen sind und man eine Lücke zu überwinden, also wahlweise zu überspringen oder überschwimmen, hat.
Ich erinnere mich daran, dass ich im Alter von vielleicht drei Jahren tierisch beeindruckt davon war, dass dieses Wasser so groß ist, dass man das Ende nicht sehen kann. Mit der Zeit wurde die Ostsee für mich selbstverständlich, ein Stück Heimat, aber nichts Besonderes. Das Mittelmeer war spannender, dort gab es Felsen statt Sand, kunterbunte Fische und Seeigel statt einfach nur trübes Wasser mit Algen und Quallen. (Warum fuhren die ganzen Urlauber bloß zu uns und nicht nach Süden?) Trotzdem nutzte ich die Ostsee natürlich immer wieder als Erfrischung im Hochsommer, wenn es am Strand zu heiß ist und man im Wasser trotzdem erst einmal schockgefrostet wird. Ich baute Kleckerburgen, hüpfte von den Buhnen, lernte, den schmerzhaften Feuerquallen mit den roten Striemen auszuweichen. (In all den Jahren hat mich nur einmal eine erwischt, und das war in der Nordsee.) Einmal badete ich als Mutprobe sogar im Januar in der Ostsee.

Eine weitere spannende Beschäftigung ist der Bau von Burgen und Tunneln.

Wenn der Wind so stark ist, dass man glaubt, sich an ihn anlehnen zu können, wenn also ein solcher Sturm prognostiziert wird, dass man in der Schule sturmfrei bekommt (was an der Küste wahrscheinlicher ist als hitzefrei), dann bäumt sich die Ostsee auf und verschluckt fast den gesamten Strand, sodass nur wenige Meter Sand für einen Sturmspaziergang übrig sind.
Das Gegenteil tritt seltener auf, aber auch das durfte ich schon erleben: Eine Art Antisturm, der vom Land her weht. Der vergrößert den Strand, zieht pfeifend Stromlinien aus Sand mit sich und drückt Wellen und Wanderer nach unten, sodass das Meer und der Strand beinahe spiegelglatt und leer werden.

Die schicken Strandpromenaden der Seebäder sind kurz unterbrochen, einen Radweg in Strandnähe gibt es erstmal nicht. Von der großen Straße zweigt ein brauchbarer Waldweg ab. Der Ostseeradweg durchquert jetzt das große Waldgebiet der Rostocker Heide. Die Bäume werden nach und nach dürrer und schiefer. Das ist der Gespensterwald von Torfbrücke, der allerdings nicht ganz so gespenstisch daherkommt wie der in Nienhagen.
Alternativ kann man auf einem asphaltierten Radweg neben der Bundesstraße fahren. Den habe ich auch mal ausprobiert, die Strecke stellte sich jedoch als laut und hubbelig heraus. Ich würde also eher den Waldweg empfehlen, wenn der nicht gerade vom Dauerregen total aufgeweicht ist.

Die Beschilderung erfolgt stilecht mit Möwenkot auf Findlingen.

Bei Graal-Müritz führt der Radweg dann auf der Düne entlang. Perfekt!

Unterwegs bietet sich die Möglichkeit, ein Windkraftwerk zu besteigen und zu besprühen. Nun ja, zumindest die erste paar Meter. So ein Ding sieht man auch nicht oft aus nächster Nähe.

Die Mittagspause auf dieser Etappe erfolgt traditionell im schicken Seebad Graal-Müritz. Das besteht aus einer Seebrücke...

...und schicken Restaurants und Souvenirshops an der Strandpromenade. Die Luft ist hier ganz besonders salzhaltig, deshalb fahren schon lange Leute nach Graal-Müritz, um ihre Lunge zu heilen. Bei Franz Kafka klappte das beispielsweise nicht.


Weiter geht es neben Düne, Waldrand und lauter Zeltplätzen. Letztere sind bei Riesenmaulwürfen besonders beliebt.

Direkt am Meer ist es am schönsten, aber die Sehenswürdigkeiten verstecken sich in einem Netz aus Waldwegen im Ribnitzer Moor.
Kürzlich wurden ein paar Waldwege zum Entdeckerpfad zusammengefasst, der einige (mal mehr, mal weniger sinnvolle) Lernstationen und Spielplätze für Kinder bereithält. Eine Entdeckung auf dem Entdeckerpfad hat mich wirklich umgehauen: Die Rostocker Heide hat tatsächlich eine Heidefläche! All die Jahre hatte ich das nie gewusst!

Entstanden ist sie durch sowjetische Panzer, die fröhlich herumfuhren und auf diese Zielscheiben zielten.

Andere Sehenswürdigkeiten aus den Tiefen des Waldes kenne ich noch aus der Schulzeit. Am Köhlerhof ragen zwei Köhleröfen ragen aus der Erde wie große braune Iglus voller Ruß. Im kleineren Ofen wird immer noch ein paarmal im Jahr Holzkohle produziert. Der größere dient nur dazu, den Grundschulkindern das Köhlern zu erklären. Um das zu veranschaulichen, wurde das ursprüngliche Design eines echten Ofens deutlich geändert: Der Ofen hat nun an der Seite einen großen Eingang, damit auch alle reingehen können, und er ist nur zur Hälfte und nicht komplett mit Holz gefüllt.

Zehn Klassenstufen später geht der Wandertag stattdessen zur banachbarten Wasserski-Seilbahn in Körkwitz. Im Direktvergleich mit dem Köhlerofen ist sie aufregender, anstrengender und vor allem zu 200 Prozent nasser.

Weiterhin besteht die Möglichkeit, im Freilichtmuseum Klockenhagen eine Mühle und landwirtschaftliche Geräte zu betrachten und darauf herumzuklettern.

Falls Sie hier in einer Kurve tödlich verunglücken sollten, könnte diese nach Ihnen benannt werden.

Jetzt kommt eine extragroße Halbinsel. Wer sie umfahren will, kann auch unten am Bodden langfahren. An dieser Strecke liegen ein total abgewrackter Steg und das Städtchen Ribnitz-Damgarten.


Ribnitz-Damgarten liegt genau auf der Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Die größte Attraktion von Ribnitz ist ein Bernsteinmuseum, wo orange leuchtende Schachbretter und Segelschiffe aus purem Bernstein ausgestellt sind. Selbst in der Bodden-Therme leuchten die Fliesen in Bernsteinfarben, und in der Sauna sogar echte Bernsteine.

Wir sind diesmal aber an der Küste geblieben und bis Dierhagen gefahren, wo ein besonderer Teil der Ostseeküste beginnt: Deutschlands größte Halbinsel.

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